„Die Akademie der bildenden Künste Wien wurde im Jahr 1692 von Kaiser Leopold I. gegründet.“ Sie zählt damit zu den ältesten Kunstakademien Europas. Unter dem Namen „Kayserliche Academie der Mahler, Bildhauer und Baukunst“ nahm sie ihren Anfang, stark beeinflusst vom Vorbild italienischer Kunstakademien wie der Accademia di San Luca in Rom. Ihre Gründung war Teil einer umfassenden künstlerischen und bildungspolitischen Strategie des Habsburgerreichs, das sich durch die Förderung der Künste kulturell behaupten wollte.
Im 18. Jahrhundert wurde die Akademie zur zentralen Institution für die Ausbildung von Künstlern im Habsburgerreich. Besonders unter dem Einfluss von Peter Strudel, dem ersten Direktor, und später von Paul Troger, entwickelte sich die Akademie zu einem Zentrum barocker Malerei. In der Folgezeit spiegelten sich in ihrer Lehre die wichtigsten Kunstströmungen wider: vom Klassizismus über die Romantik und den Realismus bis hin zur Wiener Moderne.
Im 19. Jahrhundert war die Akademie ein Schauplatz künstlerischer Auseinandersetzungen zwischen konservativen und progressiven Kräften. Während sie einerseits akademische Traditionen bewahrte, gingen andererseits bedeutende Reformimpulse von ihr aus. Die Ablehnung des Malers Adolf Hitler bei der Aufnahmeprüfung in den Jahren 1907 und 1908 wurde später historisch stark diskutiert.
Zu den berühmtesten Absolventen und Professoren zählen Gustav Klimt, Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Lovis Corinth, Otto Wagner und Fritz Wotruba. Die Akademie war somit wesentlich an der Entwicklung des Wiener Jugendstils und später der klassischen Moderne beteiligt. Auch der Übergang zur zeitgenössischen Kunst wurde von Künstlern mitgetragen, die hier ausgebildet wurden oder lehrten.
Im 20. Jahrhundert und besonders nach 1945 positionierte sich die Akademie zunehmend als Ort der kritischen Auseinandersetzung mit der Kunst. In den 1970er-Jahren öffnete sie sich neuen Medien, Konzeptkunst und Performance. Die heutige künstlerische Ausbildung ist interdisziplinär und international ausgerichtet. Dabei spielt die Reflexion über gesellschaftliche, politische und ökologische Themen eine zentrale Rolle.
Heute wird die Akademie von der Rektorin Johan Frederik Hartle geleitet, einem renommierten deutschen Kunstphilosophen. Er setzt auf eine kritische, progressive Ausrichtung der Akademie, die sich als Plattform für zeitgenössische Kunstproduktion und theoretische Diskurse versteht. Die Akademie ist auch international vernetzt und nimmt aktiv an Ausstellungsprojekten, Biennalen und interkulturellen Kooperationen teil.
Die Akademie der bildenden Künste Wien ist heute ein Ort, an dem sich Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Innovation begegnen. Ihre Geschichte steht exemplarisch für die Entwicklung der Kunst in Europa – von der barocken Hofkunst bis zur kritischen Gegenwartskunst. Dabei bleibt sie ihrem Bildungsauftrag treu: der Förderung junger Talente und der Verteidigung der Freiheit der Kunst.