GPLcontemporary 1040 Wien, Preßgasse 30
Wir achten auf die Einhaltung der gesetzlichen Covid19-Maßnahmen. Flieg, Adler, flieg
Bemerkungen zu den Gemälden von Sultan Adler Von Gerhard Charles Rump
In Sultan Adlers künstlerischem Werk stellt der…
GPLcontemporary 1040 Wien, Preßgasse 30
Wir achten auf die Einhaltung der gesetzlichen Covid19-Maßnahmen. Flieg, Adler, flieg
Bemerkungen zu den Gemälden von Sultan Adler Von Gerhard Charles Rump
In Sultan Adlers künstlerischem Werk stellt der…
GPLcontemporary 1040 Wien, Preßgasse 30
Wir achten auf die Einhaltung der gesetzlichen Covid19-Maßnahmen. Flieg, Adler, flieg
Bemerkungen zu den Gemälden von Sultan Adler Von Gerhard Charles Rump
In Sultan Adlers künstlerischem Werk stellt der Adler eines von mehreren wiederkehrenden Motiven dar. Es ist für einen starken künstlerischen Charakter typisch, sich starke, traditionsreiche und symbolisch hoch aufgeladene Motive auszuwählen. Gleich, ob es sich um den Weisskopf-Seeadler oder den Steinadler handelt – Bevorzugungen hängen vom regionalen Habitat des majestätischen Vogels ab – alle Mitglieder der "Aquila"-Familie haben ähnliche Eigenschaften und werden auch entsprechend wahrgenommen.
Eines der wichtigsten Merkmale ist der Knochenbogen über den Augen, der ihnen einen strengen, ernsten und kühnen Ausdruck verleiht. Dieser Ausdruck ist von ihrer wirklichen Stimmungslage völlig unabhängig – es ist nur eine Täuschung unserer Wahrnehmung: Der Adler wirkt lediglich kühn für unser auf menschlichen Ausdruck geeichtes Wahrnehmungssystem. Wir Menschen haben nicht die Wahrnehmung der "Aquila"-Familie, daher rührt dieses kulturell weitergegebene Missverständnis.
Unsere Auffassung dieser Raubvögel hat zu ihrer weiten Verbreitung in der Heraldik geführt. Unzählige Wappen zeigen Adler (oft in Rot, Schwarz oder als Doppeladler). Für viele Menschen symbolisiert der Adler Stärke, Entschlossenheit, Führungsanspruch und Mut, wobei er Wildheit mit Adel verbindet, und das schon seit den Zeiten von Babylon, dem Alten Ägypten und dem Alten Rom, um nur einige Zivilisationen zu nennen. Der Adler verfügt auch über Verbindungen zur Spiritualität und verkörpert in manchen Kulturen die Stärke der Sonne, die Lebenskraft.
Sultan Adler geht mit dem Greifvogel auf ihre eigene, künstlerische Weise um. Sie relativiert das Motiv mit allen seinen historischen Überfrachtungen, definiert seinen Charakter neu, fügt neue Aspekte hinzu, so dass der Betrachter überrascht wird und reichlich Gelegenheit bekommt, seine eigene Stellung zum Thema zu finden. Diese kann durch Transfer zu Neubewertungen und Umwidmungen auch anderer Gedankeninhalte führen. Der Adler wird so zu einem Ausgangspunkt, er erhebt sich in die Lüfte, diesmal aber nicht als Beutemacher, sondern der Vogel selbst wird zum Objekt visueller und geistiger Auseinandersetzung.
Ein Weisskopf-Seeadler, der auf einem Felsen hockt und dabei den Betrachter mit einem Auge anblickt (1) zeigt das deutlich. Er wirkt fast wie eine Taube (sein symbolischer Widerpart), mit einem Schuss Ironie in Bezug auf die Unschuld seiner natürlichen Antriebe (2), so wie er da auf einem kleinen Felsen oder Haufen sitzt, inmitten eines lichten Waldes aus schmalen Bäumen, im Spätherbst oder Winter, was durch die Farbigkeit und das fehlende Laub nahegelegt wird. Eine Vertikalkomposition, etwas links von der dennoch betonten Mittelachse, die so eine gewisse ästhetische Spannung in ein sonst harmonisches und ruhiges Bild bringt, wobei der Kopf des Bildes den Goldenen Schnitt markiert. Der Vogel ruht auf einem schwarz-roten, unregelmässig begrenzten Farbfeld, was ein blutiges Element abgibt, die Beute.
Die Tatsache, dass das Tier auf der Spitze eines Felsens ruht, also in einer erhöhten Position, verstärkt den hieratischen Charakter des Bildes. Es handelt sich um eine Darstellung, die widersprüchliche Botschaften miteinander versöhnt. Es geht um die "coincidentia oppositorum". Dieser Begriff, ein zentrales Element in der Philosophie des Nikolaus von Kues (1401-1464), verweist auch auf die Aufhebung aller Widersprüche in Gott, grade so, wie die konfligierenden Elemente in diesem Bild auf der höheren Ebene der Kunst aufgehoben werden.
Ein anderes wiederkehrendes Motiv stellt der Orient-Teppich dar (3). Dass sie aus der Türkei stammt, ist dafür verantwortlich, dass Sultan Adler mit dieser ehrwürdigen Tradition aufwuchs. Sie hat den Teppich wesentlich auf zwei Arten behandelt. Einmal hat sie Teppiche als Bildträger benutzt, also buchstäblich auf Teppiche gemalt. Alle Spuren und Inhalte wurden mit Acryl übermalt, was die Oberfläche veränderte und zu einer Kombination traditioneller und neuer Motive führte, während die Textur blieb. Für sie waren Teppiche immer mit der Vorstellung von Heimat verbunden, sie wurden immer mitgenommen und schufen Raum, waren eine Art dreidimensionale Kleidung (4). Das bedeutet eine Neu-Bewertung, das Schaffen neuer Zusammenhänge, und eine Wieder-Aneignung einer ästhetischen und kulturellen Überlieferung.
Der Aar, wie er auch noch gelegentlich genannt wird, und der Teppich, haben, in unterschiedlichen Dimensionen, eine Gemeinsamkeit: Sie können fliegen. Der Adler real, der Teppich in der Märchenwelt. Aber der Adler fliegt auch symbolisch-metaphorisch, indem er zum Sinnbild des Gedankenfluges, der künstlerischen Inspiration umgedeutet wird. Und zwar einer Inspiration, die, adlergleich, wagemutig erscheint, sich auf Höhenflüge begibt und von hoch oben klar ihr Ziel im Blick hat.
Die Künstlerin verfolgt dabei eine Linie der Isolation des Gegenstandes und konzentriert sich auf das Wesentliche des Motivs, und da sie es aus jeglichem situationalen Zusammenhang herauslöst, verlangt sie vom Betrachter, dass dieser Sinn stiftet, indem er re-kontextualisiert. Was scheinbar absolut und faktisch ist, erscheint in Wahrheit individualisiert und subjektiv – so konstruiert Sultan Adler ästhetische Spannung nicht nur auf der Malfläche, sondern auch im Erleben.
Eine gewisse heraldische Ästhetik ist den Gemälden nicht abzusprechen (und intendiert). So werden viele ihrer Werke gleichsam zu Ikonen des Naturerlebens und Naturverständnisses. Das dem Betrachter Gegenübertreten als ein quasi alter ego, als eine mögliche Variante des Selbst, und die Überhöhung ins beinahe Heldenhafte erinnert uns daran, das wir alle ein wenig Heldentum benötigen, um mit unserem täglichen Leben zurechtzukommen.
Zum anderen hat Sultan Adler eine grosse Zahl Gemälde geschaffen mit dem Teppich als zentralem Motiv. Die herkömmliche Rolle des Teppichs ist die eines wichtigen Alltagsgegenstandes, seine Muster verraten seine Herkunft, manche davon besitzen verborgene Bedeutungen, aber besonders herausragend ist seine entscheidende Funktion In der Schaffung von Identität. Identität sowohl auf der persönlichen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene.
Die Malerin hat gesagt, ein Teppich stünde für sie für Kommunikation, er sei ein Raum zum Nachdenken, mit Inhalt und Geschichten, verlassenen Spuren, und er verkörpere auch architektonischen Raum, Fülle, Leere, Geschichte. (5) Und zusätzlich besitzt er auch eine eigene literarische Tradition (6) und stellt dazu, gerade wie der Adler, ein auf allen Ebenen sehr anspruchsvolles Thema für eine Auseinandersetzung dar.
In Sultan Adlers Gemälden kommt der Teppich unter verschiedenen Aspekten in Form und Farbe und auf unterschiedlichste Weise vor. Gefaltet oder gerollt wie eine Zeitung (mit Hinweis auf die Geschichten, die er vielleicht enthält), verzerrt wie eine Schale aus Murano-Glas, zum Transport aufgerollt oder zum auslegen vorbereitet ("coincidentia oppositorum" wiederum), geknickt und geknittert und verzerrt – alles ist möglich. Man muss aber im Auge behalten, dass die Künstlerin niemals ein reales traditionelles Muster malt. Sie verbindet verschiedene Regionen und erfindet eigene Ornamente. Wir sehen daher nie einen existierenden Teppich, immer die Idee des Teppichs, seine Essenz. Das ist gleichbedeutend mit der Herauslösung der Essenz einer Tradition, die ästhetisch und kulturell das Herzstück einer Kultur umschreibt. Man mag kulturelle Einflüsse entdecken, was so legitim wie begrüssenswert ist. Manche Betrachter mögen an Alex Katz denken, andere wiederum sehen Matisse aufblitzen, Das jedoch verdeutlicht visuell die wesenhafte Einheit künstlerischen Strebens. Auch die Distanz-Situation Bild–Betrachter ist fordert, wahrgenommen zu werden. Befindet man sich zu weit weg vom Motiv, bekommt man nur einen generellen, detailarmen Eindruck. Rückt man indessen zu nahe heran, verliert man die Übersicht über das, was man eigentlich wahrnimmt. Adlers Bilder streben an, eine Position zu finden, die es dem Betrachter ermöglicht, Dinge auch an der Grenze möglichen Betrachtens zu sehen, wobei über Nähe und Ferne reflektiert wird, und, natürlich, über die Modalitäten der Positionsbestimmung in der Umgebung – und damit in der Welt. Das ist, in der Tat, ein wahrlich wichtiger Zweck von Kunst.
(1) Das ist eine nicht allzu häufige, aber auch nicht ungewöhnliche ästhetische Strategie in Porträts, vor allem in der britischen Malerei des 18. Jahrhunderts, wie etwa im Porträt des Thomas Bowlby von Sir Joshua Reynolds, oder in seinem berühmten Selbstporträt als Rembrandt (1765, Indianapolis Museum of Art; 1780, Royal Academy, London)(2) Raubtiere zeigen beim Beutemachen kein Wutgesicht, sondern ein eher entspannten Ausdruck, was für die "Unschuld" ihrer Handlungen spricht(3) Siehe die Serie über Orientteppiche von Hans Eitzenberger in der WELT, von Januar 2007 an ff(4) Sultan Adler in einem Brief an den Autor, 2018(5) Sultan Adler in einem Brief an den Autor, 2018(6) Vom "Fliegenden Teppich" bis zu Roald Dahls Höllenschlund in der Geschichte "The Wish", Penguin 2012, Erstveröffentlichung früher
Mi-Fr: 13 bis 18 UhrSa: 11-16 Uhrnach Vereinbarung
+4369913573730 oder mail@gplcontemporary.wien
Copyright © 2024 findART.cc - All rights reserved