Die Begegnung mit dem amerikanischen Fotografen Robert Frank 1985 in Ostberlin wird für Gundula Schulze Eldowy zum Schlüsselmoment: Mit ihrem Blick für Außenseiter und Ausgegrenzte, der Verknüpfung von sozialdokumentarischer Fotografie mit Poesie und ihrer Unbedingtheit von Unabhängigkeit entdecken Robert Frank und Gundula Schulze Eldowy augenblicklich ihre künstlerische Verbundenheit.Sie, geboren 1954 in Erfurt, Absolventin der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, ließ sich von Anfang an in kein Dogma zwängen. Ihre Bilder Ostberlins, wo die Kriegsspuren noch allgegenwärtig sind, sowie die Aktporträts, die schonungslos und doch zugleich sensibel und voller Würde sind, provozieren. Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs der schweizerisch-amerikanische Fotograf Robert Frank (1924–2019), der 1958 in seinem Fotoband The Americans ein ernüchterndes Gegenbild zum American Dream zeichnete und bis heute als ein Wegweiser der Dokumentarfotografie gilt. Beide beginnen über Kontinente und Grenzen hinweg einen intensiven Briefwechsel.
Nach dem Fall der Mauer folgt die junge Fotografin Robert Franks Einladung nach New York, dem Mekka der Avantgarde. Dort erlebt sie den Freigeist der Kunst- und Beatnik-Szene. Ihre Bildästhetik ändert sich radikal. Sie nutzt neue Techniken, experimentiert mit Polaroid und Video, Doppelbelichtungen und Materialbearbeitungen, um dem Spiegelkabinett Manhattans aus Eindrücken und dem Gefühl der Befreiung Form zu verleihen. Ihre Fotografien sind nun nicht mehr der unmittelbaren Realität verpflichtet, sondern suchen nach erweiterten fluiden Bewusstseinsformen.
Die Ausstellung rekonstruiert Gundula Schulze Eldowys Werdegang von Ostberlin nach New York, von der Straight Photography zu einer poetischen Bildsprache, die sich in der Verschmelzung von Fotografie, Film, Malerei und Poesie zu einem künstlerischen Kosmos ausdrückt. Präsentiert werden rund 230 Fotografien von Gundula Schulze Eldowy und Robert Frank sowie Filme, Tagebuchaufzeichnungen und Dokumente als ein Dialog der beiden Künstlerpersönlichkeiten. In der Filminstallation The Beast in Me is Germany entwirft die Regisseurin Helke Misselwitz das Porträt der Fotografin Gundula Schulze Eldowy anhand ihrer künstlerischen Entwicklung seit den 1980er-Jahren.
Die Ausstellung bietet auch Anlass, sich wieder dem Werk von Robert Frank, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, zu widmen. Am 2. und 3. März wird im Studio (Hanseatenweg) ein zweitägiges Programm sein umfangreiches Filmschaffen vorstellen – kuratiert und präsentiert von Alexander Horwath und Regina Schlagnitweit (Wien).
Gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds