Wien, 20.Februar 2024-Ob als Gestalterinnen von Möbeln, Mode oder Industrieprodukten, als Innenarchitektinnen oder Unternehmerinnen –Frauen haben entscheidende Beiträge zur Entwicklung des modernen Designs geleistet. Die Ausstellung präsentiert Gestalterinnen der letzten 120 Jahre und erzählt vor dem Hintergrund des Kampfs um Gleichberechtigung eine neue, vielstimmige Designgeschichte.
Gezeigt werden Werke von rund 80 Designerinnen, darunter Protagonistinnen der Moderne wie Eileen Gray, Charlotte Perriand, Lilly Reich oder Clara Porset, Unternehmerinnen wie Florence Knoll und Armi Ratia, aber auch weniger bekannte Persönlichkeiten wie die Sozialreformerin Jane Addams. Zeitgenössische Positionen werden durch Designerinnen wie Matali Crasset, Patricia Urquiola, Julia Lohmann oder das Kollektiv Matri-Archi(tecture) vertreten und führen BesucherInnen in die Gegenwart und Zukunft.
Die Ausstellung „Here We Are! Frauen im Design 1900 –heute“ ist so vielfältig wie die Diskussionen zum Feminismus in unserer heutigen Gesellschaft. Sie bietet damit einen neuen, zeitgemäßen Blick auf die Geschichte moderner Gestaltung und aktuelle Debatten und liefert Denkanstöße dafür, was Design im 21. Jahrhundert sein soll, wer es definiert und für wen es da ist.Die Ausstellung wird von einem vielfältigen Programm begleitet.
Heute ist rund die Hälfte der Designstudierenden weiblich, und Frauen sind in vielenzukunftsweisenden Designbereichen federführend. Anhand einer Vielzahl hochkarätiger Exponateverfolgt die Ausstellung „Here We Are! Frauen im Design 1900 –heute“das kreative Schaffen unddie Arbeitsbedingungen von Frauen im Design von der frühen Moderne bis in die Gegenwart –vonden ikonischen Objekten einer Eileen Gray über bislang kaum bekannte Neuentdeckungen bis hinzu heutigen Aktivismus-Netzwerken und feministischer Designforschung. So entsteht eine Standortbestimmung zu einem gesellschaftlich hochaktuellen Thema, die das moderne Design ineinem neuen Licht erscheinen lässt.
Die Ausstellung gliedert sich in vier Bereiche, die die Museumsgäste auf eine Reise durch die letzten120 Jahre Designgeschichte mitnehmen. Im ersten Bereich liegt der Schwerpunkt auf derEntwicklung des Designs in Europa und den USA, wo um 1900 das Berufsbild des modernen Designsentstand –zur gleichen Zeit, als Frauen öffentlich für mehr politische Mitbestimmung kämpften.Diese Emanzipationsbestrebungen spiegelten sich auch im Design, etwa in der Arbeit derSozialreformerinnen Jane Addams und Louise Brigham, die heute unter den Begriff »Social Design«fiele. Unterdessen prägte die New Yorkerin Elsie de Wolfe das damals neue Berufsfeld derInnenarchitektur. Auch die Werke von Gestalterinnen am Bauhaus, an den russischen WChUTEMAS(Höhere Künstlerisch-Technische Werkstätten) oder den Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau werden untersucht. Eine bislang weitgehend unentdeckte Welt eröffnet sich an der SchuleLoheland, die wie das Bauhaus 1919 gegründet wurde, aber nur Frauen aufnahm. Am Bauhausstudierten Frauen und Männer gemeinsam, wobei man Frauen meist noch bestimmten Disziplinenwie textiles oder keramisches Gestalten zuordnete. Hier wird verdeutlicht, dass sich Frauen in denGestaltungsberufen aufgrund besserer Ausbildungsbedingungen zwar zunehmendprofessionalisierten, andererseits aber weiterhin oft in traditionelle Rollenbilder gedrängt wurden.
Der zweite Ausstellungsbereich widmet sich den 1920er-bis 1950er-Jahren. In dieser Ära konntenDesignerinnen wie Charlotte Perriand, Eileen Gray oder Clara Porset in der nach wie vorpatriarchalischen Gesellschaft erste internationale Erfolge verbuchen. In der Pariser Luxusindustrieprägte Jeanne Toussaint als Creative Director jahrzehntelang die Kreationen des SchmuckhausesCartier. Sie führte das so genannte »Département S«, dessen Produkte den Bedürfnissen dermodernen Frauen der 1920er-Jahre entgegengekommen sollten, und stand für Schöpfungen, dieein fortschrittliches, selbstbewusstes Frauenbild repräsentierten. Einige der in der Ausstellungporträtierten Designerinnen arbeiteten eng mit ihrem Partner zusammen, etwa Ray Eames mit ihremMann Charles oder Aino Aalto mit Alvar Aalto. Oft standen die Frauen dabei im Schatten ihrerPartner, doch die Ausstellung zeigt, dass sie in vielen Fällen deutlich wichtigere Beiträge zu demgemeinsamen Werk leisteten als bislang bekannt war. Bekanntestes Beispiel hierfür ist CharlottePerriand, deren Bedeutung als unabhängige Designerin in den letzten Jahren weithin publiziertwurde, wobei auch ihr Anteil an den legendären Möbelentwürfen, die sie mit ihrem berühmtenKollegen Le Corbusier entwickelte, völlig neu bewertet wurde. Andere hier gezeigte Designerinnenarbeiteten zeitlebens unabhängig –so etwa die Keramikerin Eva Zeisel, die schon 1946 eineEinzelausstellung im New Yorker Museum of Modern Art hatte. Die Ausstellung zeigt, dass auchweitere Gestalterinnen stärkere Beachtung verdienen, etwa Trude Petri.
Der dritte Bereich thematisiert die Jahrzehnte von 1950 bis Ende der 1980er-Jahre, in deneninsbesondere ab den 1960er-Jahren eine zweite Welle des Feminismus der konservativenNachkriegsmentalität entgegentrat. Beispiele wie die schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit(SAFFA) von 1958 zeigen, dass Frauen auch im Design häufig mit häuslichen Tätigkeiten assoziiertwurden, trotz solcher Einschränkungen aber oft außerordentliche Werke produzierten. DieRollenbilder und die Möglichkeiten von Frauen im Design veränderten sich stetig weiter: DieAmbivalenz und die Umbrüche dieser turbulenten Ära spiegeln sich in den poppigen Marimekko-Designs der 70er-Jahre oder den postmodernen, teilweise spektakulären Objekten italienischer Designerinnen wie Nanda Vigo, Gae Aulenti oder Cini Boeri. In diese Zeit fällt auch das Schaffender Designerin Galina Balaschowa, die viele der futuristischen Interieurs der Raumkapseln für das russische Raumfahrtprogramm gestaltete. Ihr bisher fast unbekanntes Werk wird seit einigen Jahrenentdeckt.
Mit dem vierten Bereich kommt die Ausstellung in der Gegenwart an. Werke international etablierterDesignerinnen wie Matali Crasset, Patricia Urquiola, Inga Sempé, Ilse Crawford oder HellaJongerius belegen, dass Frauen im Design heute ebenso selbstverständlich international erfolgreichsind wie Männer. Manche Designerinnen sprengen die etablierten Grenzen ihrer Disziplin undtragen maßgeblich dazu bei, das Design neu zu definieren. Zu ihnen zählt Julia Lohmann, dieMeeresalgen als neues, nachhaltiges Material erforscht, ebenso wie Christien Meindertsma, dieProduktionsprozesse durchleuchtet. Zugleich präsentiert dieser Ausstellungsbereich eine Auswahlaktueller Initiativen, die veranschaulichen, wie der feministische Diskurs in Design und Architekturdie Muster von Autorenschaft, Ausbildung und Anerkennung hinterfragt und mit Diversität undIntersektionalität in Zusammenhang stellt. So thematisiert das Kollektiv Matri-Archi(tecture) in dereigens für die Ausstellung geschaffenen Arbeit »Weaving Constellations of Identity« diepersönlichen Erfahrungen afrikanischer und Schwarzer Designerinnen, während zahlreicheNetzwerke und Publikationen etablierte Narrative und Strukturen des Designs zur Diskussion stellen.Mit seinen Workshops und einer Community-Plattform etwa liefert das Netzwerk und KollektivFuturess einen Gegenentwurf zur Hochschulbildung mit ihren vielen Einschränkungen.
In der Zusammenschau all dieser Positionen ist die Ausstellung »Here We Are! Frauen im Design1900 –heute« so vielfältig wie die Umbrüche und die Diskussionen zum Feminismus in unsererheutigen Gesellschaft. Sie bietet damit einen neuen, zeitgemäßen Blick auf die Geschichtemoderner Gestaltung und liefert Denkanstöße dafür, was Design im 21. Jahrhundert sein soll, weres definiert und für wen es da ist.Die Ausstellung wird von einem vielfältigen Programm begleitet.
Dienstag bis Sonntag, 10:00 bis 17:00 Uhr.Führungen finden jeden Sonntag und an Feiertagen um 15:00 Uhr statt. Zusatztermine, Privatführungen und Führungen in englischer Sprache sind auf Anfrage möglich.
Möbelmuseum WienAndreasgasse 7, 1070 Wien
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