Die Künstler der Brücke lebten und arbeiteten in einer Zeit, in der das Deutsche Kaiserreich eine der größten Kolonialmächte Europas war. Die Ausstellung Whose Expression? Die Künstler der Brücke im kolonialen Kontext befragt ihre Werke vor diesem historischen Hintergrund.Vor allem das Spannungsverhältnis zwischen Inspiration und Aneignung, in dem Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff agierten, wird in der Ausstellung thematisiert. Einerseits identifizierten die Künstler sich mit der imaginierten Welt der vermeintlich „natürlichen“ Kulturen des globalen Südens als Gegenbild der bürgerlichen Gesellschaft und erhofften sich, so den Eurozentrismus ihrer Zeit zu überwinden. Andererseits nutzten sie stilistische Elemente der Künste und Kulturen aus Afrika, Ozeanien oder Indien als Anregung für ihre Kunst, ohne deren Entstehungskontexte, die kolonialen Machtverhältnisse und ihr rassistisches Weltbild zu reflektieren.
Zahlreiche Skizzen und Gemälde zeugen davon, dass sich die Künstler in den Völkerkundemuseen in Dresden und Berlin intensiv mit Werken aus dem kolonialen Süden auseinandergesetzt haben. Neben den Palaubalken rezipierten sie beispielsweise auch die Benin-Bronzen mehrfach. Darüber hinaus besuchten sie Theater, Varietés, Zirkusse und rassistische Kolonialausstellungen, die Menschen wie Objekte zur Schau stellten. Einige dieser kolonialisierten Personen standen für die Brücke-Künstler für Portraits und Akte Modell.
Die Ausstellung möchte sich den Lebenswegen der unbekannten Portraitierten widmen, ebenso wie der Biografien der Werke aus kolonialem Kontext. So wird der bekannte Leopardenhocker, der lange für eine Arbeit Ernst Ludwig Kirchners gehalten wurde, erstmalig mit seiner Bedeutung als Prestige-Objekt höfischer Eliten in Kamerun und als Zeugnis kamerunisch-deutscher Kolonialgeschichte gezeigt. Ein weiterer Fokus wird auf den Individuen liegen, die die Brücke-Künstler als anonymisierte ‚Andere‘ exotisierend darstellten.
Die Begegnung der Brücke-Mitglieder mit Menschen und Werken aus den kolonialen Kontexten fanden überwiegend in Deutschland statt. Denn nur Nolde und Pechstein reisten in die deutschen Kolonialgebiete Papua-Neuguinea und Palau. Mit Fotografien, Dokumenten, wie Briefen und Tagebüchern, und den vor Ort entstandenen Skizzen und Aquarellen begibt sich die Ausstellung auf eine Spurensuche dieser Reisen. Sie thematisiert die Desillusion der Künstler, die vor Ort nicht auf das erträumte Paradies europäischer Imagination trafen. Während Reisefotografien die koloniale Besetzung sehr deutlich dokumentieren, blendeten es Pechstein und Nolde in ihren Werken aus.
Diese Ausstellung ist der Beginn einer Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe des Brücke-Museums. Im Bestand der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung befinden sich noch heute rund 100 Werke aus ungefähr 20 Regionen der Welt aus dem Nachlass des Künstlers. Diese werden in diesem Jahr digitalisiert und in Wiki Commons, einer open access Datenbank online einem interessierten Publikum zugänglich gemacht. Zeitgleich zur Ausstellung werden im Kunsthaus Dahlem zeitgenössischen Künstler*innen diese Sammlung in der Ausstellung Transition Exhibition reflektieren. Begleitet werden die Vorbereitungen und die Vermittlung der Ausstellung durch ein internes Sensibilisierungs- und Fortbildungsprogramm für das Team des Museums unter dem Titel Reflexionen. Koloniales Erbe im Brücke-Museum.