Spätmittelalterliches Glanzstück nach mehrjähriger Restaurierung ab 17. Dezember wieder im Landesmuseum Württemberg zugänglichRechtzeitig vor Weihnachten kann das Landesmuseum Württemberg ein Highlight seiner Sammlung sakraler Kunst – den Altaraufsatz aus dem Zisterzienserinnenkloster Lichtenstern – im Stuttgarter Alten Schloss neu präsentieren. Nach Abschluss aufwändiger Untersuchungen und Restaurierungsmaßnahmen ist erstmals seit mehreren Jahren dieses zentrale Werk der überregional bedeutenden Mittelaltersammlung des Landesmuseums wieder für die Besucher*innen zugänglich.
Der großformatige Flügelaltar wird ab 17. Dezember in einer speziell dafür gebauten Vitrine das Zentrum eines eigenen Raumes innerhalb der Schausammlung „LegendäreMeisterWerke“ bilden. Dort wird das faszinierende Originalobjekt in Kombination mit dem 360°-Film „Heilige und Halunken. Eine VR-Reise ins Mittelalter“ zu erleben sein. Dieser Film ist aktuell über den Media-Guide aufrufbar und kann, sobald die Entwicklung der Pandemie den Einsatz von 3D-Brillen wieder zulässt, auch über Virtual-Reality-Stationen erlebt werden.
Ermöglicht wurden die zwischen 2017 und 2021 erfolgten Restaurierungen durch die Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung. Deren Generalsekretär, Dr. Martin Hoernes, betont: "Im Rahmen der Initiative KUNST AUF LAGER konnte diese aufwändige Restaurierung unterstützt und ein Exponat für die Dauerausstellung wiedergewonnen werden. Wunderbar! Aber auch eine Mahnung, die Museen mit angemessenen Restaurierungsmitteln auszustatten!" Unterstützung kam auch von der Gesellschaft zur Förderung des Landesmuseums Württemberg, die die technisch komplexe Klimavitrine für den Altaraufsatz maßgeblich finanziert hat.
Der um 1465/70 entstandene Lichtensterner Hochaltaraufsatz – auch als Retabel, d. h. Schauwand, bezeichnet – ist der monumentalste in der Sammlung des Landesmuseums Württemberg. Er zählt gleichzeitig zu den frühen Zeugnissen des südwestdeutschen Retabelbaus. Das Bildprogramm mit Darstellungen der Freuden und Schmerzen Mariens ist auf die Aufstellung in einem Zisterzienserinnenkloster zugeschnittenen. Seine aufwändige künstlerische Gestaltung mit der prächtigen Marienkrönung im Zentrum zeugt von der Qualität der ausführenden Handwerker – Schreiner, Maler und Bildschnitzer – sowie vom hohen Anspruch der Stifterin, Äbtissin Margarete von Stein (im Amt 1444 – 1469). Die umfangreichen Untersuchungen, die im Rahmen des Projekts möglich waren, lieferten wichtige Erkenntnisse zur ursprünglichen Gestalt des Altaraufsatzes und zu den Veränderungen, die über die Jahrhunderte erfolgt waren. So wurden bildgebende Verfahren mittels Röntgenstrahlen, ultraviolettem Licht und Infrarotlicht angewandt, die Rückschlüsse auf die Altarkonstruktion, auf Unterzeichnungen in der Bemalung und frühere Restaurierungen zulassen. Neben Faser- und Pigmentanalysen fanden auch Holzartenbestimmungen und dendrochronologische Untersuchungen statt. Durch letztere konnte unter anderem die Datierung des Altars um 1465 bestätigt werden. An die Untersuchungen und deren Dokumentation schlossen sich zeitintensive Reinigungs- und Restaurierungsarbeiten an. Diese hatten die Sicherung originaler Substanz unter Einbeziehung späterer Überarbeitungen zum Ziel. Malerei und Skulpturen sind jetzt leichter lesbar, sodass das Kunstwerk die Besucher*innen neu ansprechen und zum Betrachten einladen kann.