Igor Vidor untersucht Mechanismen von Unterdrü- ckung und Macht sowie ihre Manifestation in Objekten oder sozialen Codes in unterschiedlichen, meist urbanen Kontexten in Brasilien. In Skulpturen, Per- fomances und Videos zeigt er Zeichen von tief ver- wurzelter Gewalt und sozialer Ungerechtigkeit im alltäglichen Leben der Menschen. Er reflektiert, wie sich diese Verhältnisse durch die Politik in Brasilien immerwährend wiederholen. Seine neuen Arbeiten analysieren den Einfluss und die Verantwortung der USA sowie europäischer Länder an der Verbreitung von Gewalt in Brasilien und Lateinamerika durch die Produktion und den Handel von Waffen. In der Berlinischen Galerie werden vom 10.9 bis 4.10.21 „v.a. 4598 (Rio Olympics)“ (2016, 15 Min.), „Carne e Agonia“ (Fleisch und Agonie) (2018, 9:38 Min.) sowie die neue Arbeit „A Praga“ (Die Plage) (2020) präsentiert.„v.a. 4598 (Rio Olympics)“ zeigt den Künstler in einer ruinenhaften Landschaft. Während der Bauarbeiten für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro wurden tausende Familien der Vila Autódromo dazu gezwungen, ihre Wohnungen für immer zu verlassen. Die Häuser wurden abgerissen, um Raum für die Sportveranstaltung zu schaffen. Vidor begleitete diesen Prozess zwei Jahre lang und entwickelte gemeinsam mit den Einwohner*innen eine Video-Per- formance. Für „Carne e Agonia“ (Fleisch und Ago- nie) wurden Drogenhändler*innen und Polizist*innen die gleichen Fragen gestellt. Ihre Antworten offenba- ren ähnliche Aussagen im Gewaltszenario des soge- nannten „Krieg gegen Drogen“. Die Bilder in Zeitlupe zeigen eine Reihe von Geschosseinschlägen auf bal- listische Gelatine. Diese kriminaltechnischen Versu- che werden von Munitionsfirmen durchgeführt, um zu testen, wie tödlich die Waffen sind, und wie diese verbessert werden können.
„A Praga“ (Die Plage) stellt Aufnahmen aus Oberndorf am Neckar in Baden-Württemberg und vom Künstler gesammelte Ausschnitte von Poli- zeieinsätzen gegenüber. Der Film untersucht die fata- len Verbindungen zwischen der deutschen Kleinstadt, der dort ansässigen Waffenindustrie und dem über hundert Jahre währenden Export von Gewalt ins Ausland durch deutsche Waffen.
BiografieIgor Vidor (*1985, São Paulo, Brasilien) hat am Centro Universitário Belas Artes in São Paulo studiert. Er hat jahrelang im Bereich Bildung und Vermittlung im Museu de Arte do Rio (MAR) gearbeitet. Seine Arbei- ten wurden in mehreren internationalen Ausstellun- gen gezeigt u.a. im Künstlerhaus Bethanien (2020); Pérez Art Museum Miami (2018); Mercosul Biennale (2018); Sesc 24 de Maio, São Paulo (2017); Museu Histórico Nacional, Rio de Janeiro (2017) und Museu de Arte do Rio (MAR) (2016). Er lebt in Porto und Berlin. Der IBB-Videoraum Im IBB-Videoraum werden seit 2011 im monatlichen Wechsel Künstler*innen präsentiert, die mit zeitba- sierten Medien arbeiten. Das Programm umfasst nicht nur etablierte Namen der zeitgenössischen Videokunst, sondern auch junge Positionen, die bis- her kaum in Museen zu sehen waren. Ihnen soll in der Berlinischen Galerie ein erster institutioneller Auftritt ermöglicht werden. Jeder Monat erlaubt eine neue Ausei- nandersetzung mit Werken, die mediale oder auch politische und soziale Fragestellungen anstoßen. Besonderes Augenmerk liegt dabei darauf, marginali- sierten Perspektiven Raum zu geben und Auswirkun- gen von Machtstrukturen sichtbar zu machen.
Weitere Videoarbeiten online: bg.berlin/virtueller-videoraum