In ihren ortsspezifischen Installationen setzt sich Monica Bonvicini mit der Psychologie des Raums sowie mit Institutionskritik auseinander. Dabei legt sie geläufige Narrative in der Kunstgeschichte sowie in anderen kulturellen Feldern radikal offen und stellt veraltete gesellschaftliche Vorstellungen infrage. Seit Mitte der 1990er-Jahre untersucht die Künstlerin politische, soziale und institutionelle Gegebenheiten und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft sowie auf die Bedingungen künstlerischer Produktion. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen Themen wie Architektur, Geschlechterrollen, Kontrollmechanismen und Machtdispositive beziehungsweise wie sich diese zueinander verhalten. Bonvicini arbeitet medienübergreifend mit Installation, Skulptur, Zeichnung, Video und Fotografie. In ihrer künstlerischen Praxis gilt sie als direkt, schonungslos und politisch.
Der für sie charakteristische trockene Humor zeigt sich im Belvedere 21 bereits am ersten Werk das die Besucher_innen sehen, wenn sie sich der kubischen Struktur nähern: Hy$teria ist eine Arbeit, die explizit Sprache als Material zum Einsatz bringt, sie kritisch reflektiert und hinterfragt. Mit einem einzigen Wort und dem Ersetzen des „s“ durch ein Dollarzeichen macht Bonvicini einen großen diskursiven und politischen Raum auf und weist auf den überreizten Zustand des Kunstmarkts und der Konsumgesellschaft im Allgemeinen hin.
Schwarz-Weiß-Zeichnungen wie Wildfire Kern 2010 untersuchen den Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und Naturkatastrophen. Die Bilder zeigen Häuser, die nach Bränden oder Wirbelstürmen in Trümmern liegen. Im Kontext der aktuellen rückwärtsgewandten Politik, der Verleugnungstaktik und der Ignoranz einiger nationaler Regierungen gewinnen diese Werke an Relevanz. Individuelle soziale Tragödien werden vor dem Hintergrund globaler politischer Entscheidungen dargestellt.
Der Druck Marlboro Man reflektiert die romantische und stereotyp männliche Figur des starken, freiheitsliebenden Cowboys. Ist diese Figur eine Ikone der Vergangenheit oder hat die Trump-Ära dieses Männlichkeitsideal reaktiviert? Bonvicini porträtiert den Cowboy in der Nähe eines Stacheldrahts und verbindet so das reaktionäre männliche Stereotyp mit ebenfalls wiederbelebten rechten Ideologien, die durch den Bau von Mauern und Grenzen geopolitische Spaltungen vorantreiben. Auf dieses Thema nehmen auch die Wände des Aluminiumkubus I Cannot Hide My Anger Bezug.
Poetischer geht die Skulptur Double Trouble – ein Etagenbett aus Metall, in dem die Matratzen durch Spiegel und einen Ledergürtel ersetzt sind – auf das Thema ein. Diese Art von Möbelstück, die oft in Flüchtlingslagern und anderen Transitorten zu finden ist, wird so ihrer Ruhefunktion beraubt und bietet keinerlei Privatsphäre mehr. Das einfache Designobjekt wird bei Bonvicini zum Zeichen für soziale Ungerechtigkeit und Diskriminierung.
Die Wahl der Materialien spielt in dieser Ausstellung eine große Rolle. Wie die Spiegel bei Double Trouble haben auch die Aluminiumwände von I Cannot Hide My Anger eine reflektierende Eigenschaft – sie sorgen für verzerrte, fragmentierte und unvorhersehbare Spiegelungen der Kunstwerke und der Besucher_innen. Der aktuelle Selfie-Trend wird dabei nicht bedient – die Betrachter_innen finden auf den Oberflächen nur schemenhafte Ähnlichkeiten mit ihren eigenen Schatten sowie atmosphärische Licht- und Farbverschiebungen, die einem Fahrzeug ähneln, das nachts über eine Autobahn in Los Angeles rast.
„Jede Ausstellung von Monica Bonvicini ist gleichzeitig eine intellektuelle wie körperliche Erfahrung. Die Künstlerin gestaltet Räume um und konfrontiert ihr Publikum mit einem gebauten Environment, das Raumordnungen und Machtstrukturen direkt erfahrbar macht. Ihr gelingt es dabei, historisch gewachsene, aber als naturgegeben wahrgenommene Narrative radikal offenzulegen und deren Legitimität infrage zu stellen“, so Generaldirektorin Stella Rollig.
„I CANNOT HIDE MY ANGER ist eine politische Ausstellung zum richtigen Zeitpunkt. Mit Wut und trockenem Humor zeigt Monica Bonvicini nicht nur männlich geprägte Machtstrukturen, sondern auch die Folgen unserer kapitalistischen Lebensweise wie Klimawandel, Migration und die Gewalt von (nationalen) Grenzen“, ergänzt Kurator Axel Köhne.
Belvedere 21Arsenalstraße 1 1030 WienÖffnungszeiten:Mi bis So 11–18 UhrMi und Fr bis 21 Uhr (gilt auch an Feiertagen)
Copyright © 2024 findART.cc - All rights reserved