Die Wiener Ausstellung hingegen lässt sein Werk einerseits in konzeptuellen Dialog treten mit dem Julian Schnabels, ein langjähriger Künstlerfreund, mit dem er in regem Austausch steht. Andererseits setzt sie den Schwerpunkt auf den technischen Aspekt der Aktionskunst Hermann Nitschs. Entgegen der sehr intensiv, organisch, teilweise chaotisch und willkürlich anmutenden Durchführung waren und sind die Aktionen des Künstlers nie improvisiert, sondern im Gegenteil jedes Detail in deren Ablauf im Vorhinein minutiös geplant und in Partituren festgehalten. Während die Albertina also die Produkte der Malaktionen präsentiert, ergänzt die Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Wien den dokumentarischen Teil seiner Aktionen als Gesamtkunstwerke. Neben frühen Zeichnungen, Druckgraphik und Farbskalen werden auch Fotodokumente früher Aktionen, die deren intensive Atmosphärik spürbar machen, Relikte aufgeführter Werke und Partituren gezeigt. Ein Highlight stellt dabei die Partitur zur 155. Aktion in anlässlich des 80. Geburtstag des Künstlers in Mistelbach dar. Zum ersten Mal steht hier die musikalische Darbietung im Vordergrund. Mithilfe von einem Orchester aus unzähligen Streich-, Blas- und Schlaginstrumenten sowie einem riesigen Chor webt Hermann Nitsch einen Klangteppich, dessen Erschwellen und Abklingen eine verdichtete Atmosphäre schafft. Eine weitere Besonderheit der 155. Aktion stellt der ausschließliche Einsatz von Erntefrüchten anstatt von Tierkadavern oder –organen dar, was das Opferritual zu einem ekstatischen Erntefest werden, und den Künstler endgültig im 21. Jahrhundert ankommen lässt. Unsere Ausstellung dokumentiert die Aktion in der Partitur, sowie in Fotographien und Film, und auch ein Relikt derselben wird gezeigt.
Besonders freut uns die Ausstellungsbeteiligung Julian Schnabels, der die Nitsch’sche Einladung gerne annahm. Neben seinen im Neoexpressionismus anzusiedelnden bildnerischen Arbeiten ist Schnabels internationaler Ruhm hauptsächlich seinen vielfach ausgezeichneten Filmen zuzuschreiben, so „Basquiat“und zuletzt „Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“, die Biografien des gleichnamigen Künstlers. Wie bei Hermann Nitsch umfasst auch Julian Schnabels Kunst die Musik, 1995 veröffentlichte er ein eigenes Album, „Every Silver Linig has a Cloud“. Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten, Acryl- bzw. Ölmalerei auf Landkarten, greifen in Komposition und Farbgebung in gewisser Hinsicht Nitschs Aktionsmalerei auf. So bilden die Werke beider Künstler trotz, oder gerade wegen ihrer sehr unterschiedlichen Hintergründe eine stimmige Kombination.
Di-Fr 12-18 Sa 11-16 Uhr und nach Vereinbarung
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