Werner Feiersinger verbindet in seinen Werken das Wissen über Kunst-, Design- und Architekturgeschichte mit einer lakonisch-reduzierten Formensprache. Der österreichische Bildhauer formuliert den Ausstellungsraum im Belvedere 21 mit einem umfassenden skulpturalen Eingriff neu und bezieht sich dabei auf die Geschichte des Gebäudes.Seit vielen Jahren zeigt Werner Feiersinger seine Objekte in Relation zu seinen Fotografien und realisiert Skulpturen im öffentlichen Raum. Seine minimalistischen Werke unterlaufen stets konventionelle Sehgewohnheiten und sind von einem tiefgründigen Humor durchdrungen.
„Werner Feiersinger hat sich ein bildhauerisches Vokabular zu eigen gemacht, das modernistisch und geometrisch aussieht, aber dennoch offen bleibt für alles Subjektive und Menschliche. Im Dialog mit der Kunstgeschichte schafft er eine ganz bestimmte Poesie und gibt der Skulptur das menschliche Maß zurück“, so Generaldirektorin Stella Rollig
„Feiersinger strukturiert mit seinen präzisen Werken den vorgefundenen Raum neu. Er lässt eine Architekturikone der Nachkriegsmoderne buchstäblich kippen und besetzt sie mit neuen skulpturalen Körpern. Ausgangspunkte seiner neuen Arbeit sind ein Detail der Schwanzer-Architektur, der Ausstellungsraum selbst sowie die Nähe zur Fritz Wotruba Privatstiftung“, ergänzt Kurator Axel Köhne. Werner Feiersingers skulpturale Intervention bezieht sich auf das Gebäude, in dem sie gezeigt wird. Es wurde vom Wiener Architekten Karl Schwanzer als Österreichpavillon für die Weltausstellung 1958 in Brüssel geplant und mit dem Grand Prix d’Architecture ausgezeichnet. Später wurde das Bauwerk nach Wien transferiert und zwischen 2007 und 2011 von Adolf Krischanitz erneuert. Karl Schwanzer hat das Fassadenraster als sichtbares modulares System vertikaler Stahlträger geplant, die in regelmäßigen Abständen lochgestanzt und durch Querbalken strukturiert sind. Werner Feiersinger greift diese Struktur auf und kippt das monochrome vertikale Stahlraster um neunzig Grad in die Waagrechte. Wie eine Art Teppich dient die Skulptur am Boden als Unterbau für drei weitere Arbeiten. Alle vier Werke behaupten ihren autonomen Objektcharakter und bearbeiten zugleich grundlegende Fragen des Skulpturalen. Die Objekte werden in ein Spannungsverhältnis zum Raum gesetzt, der auf diese Weise neu strukturiert wird.
Die Einzelteile der Arbeit lassen durch unterschiedliche Bezüge verschiedene Interpretationen zu und können referenziell nicht eindeutig verortet werden. Die Notwendigkeit der Abstützung ist zum Beispiel ein zentrales Merkmal der Kunst Feiersingers. So erinnert das gekippte Gerüst am Boden des Ausstellungsraums an zusammengefügte Leitern und mit seinen Löchern gleichzeitig an ein überdimensionales Spielzeug. Zwei freitragende abstrakte Formen auf einer Sockelplatte erscheinen wie Grabsteine, die schräg aus dem Boden ragen. Dies ist auch als formale Referenz auf die kubischen Skulpturen Fritz Wotrubas zu verstehen, die im Depot der Fritz Wotruba Privatstiftung im Belvedere 21 untergebracht sind. Auch einen architektonischen Bezug zu Indien hat Feiersinger in seiner Arbeit versteckt. Das Raster im Obergeschoss des Belvedere 21 erinnert den Künstler an die rote senkrecht-rhythmische Struktur in Le Corbusiers Fassade des Parlaments von Chandigarh. Dieses Gebäude wurde in den Jahren von 1951 bis 1964 errichtet, also etwa zur selben Zeit wie der ehemalige Weltausstellungspavillon. Während Feiersinger die Architektur Schwanzers rationalistisch erscheint, bezeichnet er jene von Le Corbusier als subjektivistisch. Die subjektiv unregelmäßig gesetzten Abstände in der Gebäudefassade von Le Corbusier überträgt der Bildhauer auf das Raster seiner Arbeit im Belvedere 21.
Alle Objekte werden vom Künstler selbst angefertigt, ihre Oberflächen sind oft modelliert. Dabei spielen die Farben sowie die Verarbeitung eine große Rolle. Meist verwendet Feiersinger unfertig wirkende Grundierungsfarben und spielt mit rauen Oberflächen. Trotz ihrer industriell anmutenden Präzision und der materiellen Härte wirken die Arbeiten daher menschlich.
Ergänzend zur skulpturalen Intervention sind Entwurfsskizzen ausgestellt. Der Ursprung von Feiersingers Skulpturen liegt immer in der Zeichnung, die er aus dem eigenen Unterbewussten schöpfend in spontanen Improvisationssitzungen anfertigt. Oft ergeben sich daraus „Zwischenobjekte“, die den Anschein von Nützlichkeit haben, dabei aber nutzlos sind. Sie verbildlichen die Suche des Künstlers nach Antworten auf Fragen zu Proportionen, Maßen, Volumina oder Material.