DA BEISST DIE MAUS KEINEN FADEN ABVom Himmel zur HölleMit den Juryankäufen des Landes Tirol der vergangenen drei Jahre lädt die Ausstellung „arttirol 10“ im Ferdinandeum zu einem abwechslungsreichen Rundgang durch die Kunstwelt der Gegenwart. Die Gemälde und Zeichnungen, Skulpturen und Installationen wurden von Florian Waldvogel, Kurator und Leiter der Modernen Sammlung der Tiroler Landesmuseen, so arrangiert, dass der Rundgang vom Licht ins Dunkel führt. Empfangen werden wir demnach von Matt Mullicans (*1951, Santa Monica, USA) Arbeit „Ohne Titel (Heaven)“ (2014) in rot-weiß-rot, in Anlehnung an die Farben der österreichischen Nationalflagge. Daneben prangt Katharina Cibulkas (*1975, Innsbruck) „Solange Gott einen Bart hat, bin ich Feminist“ (Solange #5, 2018). Eine Installation des Tiroler Künstlers Martin Gostner (*1957, Innsbruck) weist den Weg zum Himmel. Auch im weiteren Verlauf der Ausstellung stehen internationale Positionen mit Bezug zu Tirol und Österreich neben Kunst aus Tirol. Wir begegnen Sarah Bogners (*1980, München) „Fünfergruppe“ (2020) an fröhlichen Pferden, während ein überdimensionales Sofa (2019) des Wiener Künstlerkollektivs gelatin / gelitin dazu einlädt, sich zu setzen, auf dass die ungewohnte Perspektive die eigene Fantasie beflügle. Als Glanzstück von internationalem Rang präsentiert die Schau die Reihe „Famous Pigeons“ (2021) von Anna Jermolaewa. Die 1970 in St. Petersburg geborene und in Wien lebende Künstlerin hat den österreichischen Pavillon für die diesjährige Kunstbiennale in Venedig gestaltet. Im Ferdinandeum würdigt ihre aus acht Blättern und zwei Taubenuhren bestehende Installation die Brieftauben G. I. Joe, Mocker, William of Orange Paddy, Mary of Exeter, Commando, Cher Ami und Winkie für ihre lebensrettenden Botenflüge im Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Wenige Schritte weiter beginnt ein Wandbild des aus Innsbruck stammenden Konzeptkünstlers Thomas Feuerstein (*1968) zu schwitzen, sobald sich ihm Betrachtende nähern. Bei Matthias Krinzinger (*1982) dagegen rollen nicht Schweißperlen, sondern Tränen über die Wangen rauchender Kinder.
Ein Werk aus der Reihe „Weinendes Kind mit Zigarette“ (2019 – 2021) bebildert auch das Plakat zur „arttirol 10“. Auf den ersten Blick mag die Arbeit des ebenfalls in Innsbruck geborenen Künstlers für Empörung sorgen, doch sie löst gleichzeitig auch eine zentrale Aufgabe der Gegenwartskunst ein: Sie thematisiert soziale Missstände, deutet die Gefahren von Süchten an und stellt die Empathie der Betrachtenden auf die Probe.
Nur einen Raum weiter endet der Rundgang mit einer Zeichnung von Elke Silvia Krystufek (*1970, Wien), die den Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, zeigt, sowie mit zwei dystopischen Bildszenen der italienischen Künstlerin Laurina Paperina (*1980, Rovereto). Auf dem Weg nach draußen kommt man schließlich noch an Silke Wagners (*1968, Göppingen) VW-Bus mit der Aufschrift „Lufttransa Deportation Class“ vorbei. Dieser hinterfragt den Umgang mit Abschiebungen von Schutzsuchenden. Über das Autoradio kann man die Geschichte des Busses zwischen antirassistischem Protest und juristischem Prozess hören.