Marc Chagall, Wassily Kandinsky, Auguste Renoir, Alexej von Jawlensky, André Derain, Albert Marquet, Max Liebermann, Chaïm Soutine (dem die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf derzeit eine große Einzelausstellung widmet), Max Beckmann, Emil Nolde, Oskar Kokoschka, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Henry van de Velde*: Diese und andere herausragende Vertreter der Avantgardebewegungen in der Kunst präsentiert das Osthaus Museum vom 29. September 2023 bis zum 07. Januar 2024 in der Ausstellung „Europäische Avantgarde – Vision und Realität“.Zu sehen sind mehr als 80 Werke - 60 Gemälde, fünf Skulpturen sowie ein Konvolut von Arbeiten auf Papier - von französischen, belgischen, russischen, ukrainischen, österreichischen und deutschen Künstlerinnen und Künstlern aus den ersten beiden Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts.
Parallel dazu werden in einer zweiten Ausstellung mit dem Titel „David und Vladimir Burliuk – Meister der Experimente“ mehr als 40 Werke der für die ukrainische Kunstgeschichte höchst bedeutenden Burliuk-Brüder gezeigt. Die Bilderschau mit Werken aus den Jahren 1909 bis 1949 ist die erste Übersichtsausstellung der Brüder in Deutschland.
Damit erinnert das westfälische Hagen an die große Tradition des Folkwang-Museums. Bereits zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts fanden in der Stadt am Rande des Ruhrgebiets Künstlerinnen und Künstler der europäischen Avantgarde einen Fixpunkt. Im Jahr 1902 wurde dort mit dem Folkwang-Museum, dem heutigen Osthaus Museum, das weltweit erste Museum für zeitgenössische Kunst eröffnet. Kunstmäzen und Museumsgründer Karl Ernst Osthaus, der eine umfassende Sammlung mit Gemälden und Skulpturen von u.a. Paul Cézanne, Henri Matisse, Éduard Manet, Vincent van Gogh, Auguste Renoir, Kees van Dongen zusammengetragen hatte, kam mit der Gründung des Museums seiner Vision, „die Schönheit wieder zur herrschenden Macht im Leben“ werden zu lassen, ein ganzes Stück näher.
Tayfun Belgin, Direktor des Museum Osthaus, betont: „Wir haben hier den Folkwang-Impuls aufgenommen, denn wir erinnern uns: Karl Ernst Osthaus hat bereits 1907 die damals völlig unbekannten Brücke-Künstler ausgestellt. Nächstes Jahr wäre der Privat-Sammler Osthaus hundertfünfzig Jahre alt geworden. Diese Ausstellung ist eine Hommage an unseren Museumsgründer. Ihm zuliebe haben wir diese große Ausstellung mit viel Aufwand realisiert.“
Mit der Doppelausstellung ermöglicht das Osthaus Museum nicht nur einen westlichen Blick auf die Europäische Avantgarde, sondern zeigt die Avantgardebewegungen des beginnenden Zwanzigsten Jahrhunderts als ein gesamteuropäisches Phänomen.
Die Kunst der Avantgarde – Aufbruch in eine neue ZeitDas beginnende zwanzigste Jahrhundert ist geprägt durch tiefgreifende gesellschaftliche Umbrüche. Dem versucht eine neue Künstlergeneration Rechnung zu tragen, die den vorherrschenden Geschmack durch eine neue Ästhetik überwindet.
Die künstlerische Avantgarde gilt als die Vorhut einer neuen Bewegung, die sich in verschiedenen Ausprägungen wie Expressionismus, Fauvismus, Kubismus, Futurismus, Suprematismus niederschlägt. Der Anspruch: nicht nur eine radikale Neuerung künstlerischer Formen und der einzelnen Künste zu bewirken, sondern zugleich eine gänzlich neue Auffassung von Kunst und eine neuartige Positionierung der Kunst in der Gesellschaft durchzusetzen.
Die Hagener Ausstellung bringt die unterschiedlichen Positionen dieser Künstler zusammen und huldigt ihrer Wirkungsgeschichte. So haben, zum Beispiel, die Expressionisten spätere Generationen geprägt – bis hin zur wilden Malerei der 1970er und 1980er Jahre -, der Suprematismus hat in großer Dimension eine Renaissance in der US-amerikanischen Kunst gefunden.
Die Zeit der Avantgarden ist und bleibt ein wichtiges Kapitel in der Kunstgeschichte der Moderne und strahlt bis heute nicht nur in die Kunstwelt aus.
David und Vladimir BurliukDie Brüder David Burliuk, geboren 1882 im Gouvernement Charkiw, und Vladimir Burliuk, geboren 1886 ebendort, sind für die ukrainisch Kunstgeschichte von großer Bedeutung. Beide waren Avantgarde-Künstler, die nicht nur an Neuerungen interessiert waren, sondern diese auch durchsetzten. Wladimir, der im ersten Weltkrieg im Alter von 32 Jahren verstarb, ist bekannt als Neo-Primitivist und Kubofuturist, während David als Vater des russischen Futurismus gilt. Ab 1922 lebte David Burliuk in den USA, wo er großen Einfluss auf die amerikanische Kunstszene ausübte. Er starb 1967 auf Long Island.
Die beiden Ausstellungen werden ermöglicht durch die großzügige Unterstützung privater Leihgeber: zweier Sammler aus London, die ihre Anonymität wahren möchte, der Sammlerin Inna Bazhenova aus Monaco und des Sammlerehepaars Maya und Anatoly Bekkerman aus New York. 21 Werke, darunter auch Arbeiten der Burliuk-Brüder, befinden sich in der Sammlung des Museum Osthaus. Kuratiert werden beide Ausstellungen von Joseph Kiblitsky und Tayfun Belgin.