Schlamm – ZeitRaumMaterie“Was der Raum für die Gedächtniskunst, ist die Zeit für die Erinnerungskultur” schreibt Jan Assmann in seinem Buch Das kulturelle Gedächtnis. “Das kulturelle Gedächtnis haftet am Festen. Es ist nicht so sehr ein Strom, der von außen das Einzelwesen durchdringt, als vielmehr eine Ding Welt, die der Mensch aus sich heraussetzt.”Erinnerungen sind Abdrücke des Vergangenen in unserem Gedächtnis. Abdrücke, die wir durch eigene Erfahrung und Erzählung eingebettet haben und uns prägen. Eingebettet in unser Gehirn und in die Erdkruste. Das kulturelle Gedächtnis ist eine Kombination zwischen den haptischen und geistigen Abdrücken. Sie gestalten die Geschichte.
Die Ausstellung “Schlamm” zeigt als raumgreifende Installation das Zusammenwirken von T.E. - Traktor.Elisabeth. - eine Performance mit noch nicht definiertem Ende. Ihre jeweiligen Aktionen werden als STAGE deklariert, was als Bühne und/oder Austragungsort gesehen werden kann.
T.E. begann 2014 mit der dreimonatigen Fahrt von der Ukraine nach Oberösterreich:
“Mit dem Projekt “Mit dem Traktor vom Theresiental (Ukraine) nach Oberösterreich” bin ich einer historischen Begebenheit nachgegangen. Unter Maria Theresia wurden Menschen aus dem Salzkammergut in die Karpaten umgesiedelt, um dort den Wald urbar zu machen. Als ich vor 8 Jahren das erste Mal in diesem Teil der Ukraine war, wurde ich im oberösterreichischen Dialekt begrüßt. Trotz meiner Verwirrung kam sofort ein Gefühl der Zugehörigkeit und Vertrautheit auf. Das hatte ich absolut nicht erwartet in einem mir anscheinend so fremden und fernen Land. Der Eiserne Vorhang als politische und eben auch territoriale Grenze war unverkennbar in mein Gedächtnis eingeprägt.“ Elisabeth Falkinger
Der Traktor ist eine Maschine, die weltumspannend die Erdoberfläche bearbeitet, Bilder schafft und zerstört. Der Traktor ist eine Maschine, die über politische Grenzen hinweg agiert, Kulturarbeit leistet und Geschichte schreibt, auf der Erdoberfläche sowie im Gedächtnis.
“Das kollektive Gedächtnis operiert daher in beiden Richtungen: zurück und nach vorne. Das Gedächtnis rekonstruiert nicht nur die Vergangenheit, es organisiert auch die Erfahrung der Gegenwart und Zukunft.” Jan Assmann
Durch das Projekt T.E. werden Oberflächen und Überlieferungen traktiert und bearbeitet. T.E. bricht Erinnerungen und Geschichte auf.
Jede unserer Bewegungen ist mit Teil dieser Geschichtsschreibung. Jeder Abdruck der Reifen in der Erde formt und erzählt Geschichte. Jede Weiterbearbeitung und Formung in den Bildern Elisabeth Falkingers ist eine Bearbeitung von der Vergangenheit in der Gegenwart für die Zukunft.
Eine Bewegung, nach vorne, über die Kruste, hart und mürbeMit Ausdauer, zäh und langsamÖl, Schweiß, Diesel, vermischt mit StaubOhne konkreten Aggregatzustand aber mit Form - Schlamm
“Als gelernte Gärtnerin und Künstlerin, die beide Berufe ausübt, frage ich mich wo Kulturarbeit anfängt und wo sie aufhört. In beiden Bereichen wird von Kulturarbeit gesprochen. Als Gärtnerin schaffe und betreue ich Pflanzenkulturen, um sie für Menschen nutzbar und genießbar zu machen.
Als Künstlerin bewege ich mich auch auf diesem Feld. Ich analysiere Bilder und Muster, die uns prägen und in unserer Gesellschaft maßgebend für Normen, Verhalten und Denken sind.” Elisabeth Falkinger
Elisabeth Falkinger (*1988) ist Zeichnerin und Performerin, Musikerin, Reisende und Gärtnerin. In ihrer vielfältigen künstlerischen Arbeit analysiert sie Motive und Inszenierungen von Landschaft. Ihr besonderes Interesse gilt dabei dem komplizierten Verhältnis von Mensch und Ding. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in den USA studierte sie Landschaftsdesign/kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien bei Mario Terzic und Paul Petritsch. Seit 2014 ist ein roter Traktor aus dem ukrainischen Theresiental ihr künstlerisches Alter Ego. Sie lebt und arbeitet in Wien.