Denkt man an Sprache und Schrift, so denkt man zunächst nicht an Schmuck. Doch vielfältige Zeichensysteme treten im Schmuck kostbar in Erscheinung - so kostbar wie die Botschaft selbst. Schmuck dient als Kommunikationsmittel und damit buchstäblich als ›Bedeutungsträger‹.Über Epochen und Kulturen hinweg spielt er eine wichtige Rolle als eine Möglichkeit, sich auszudrücken. Hohen Symbolwert hat er als Gabe etwa zu Geburt oder Hochzeit. Nicht selten begleitet er seinen Besitzer als Grabbeigabe über den Tod hinaus. Anlässlich des 500. Todestages Johannes Reuchlins (1455-1522) stehen mit »Schöngeschrieben« alle Ausstellungsräume des Schmuckmuseums Pforzheim im Zeichen von Schmuck, Schrift und Sprache.
Reuchlin als Meister des RedeschmucksIm Sonderausstellungsbereich wird Reuchlins Wertschätzung für Sprachen, fremde Kulturen und, damit verbunden, Verständigung und Toleranz beleuchtet. Der juristisch gebildete Diplomat Johannes Reuchlin war mit seiner »brillanten« Rhetorik ein Meister des Redeschmucks, so dass Schmuck in seinem Leben nicht nur in Gestalt von Gold, Silber und Edelsteinen allgegenwärtig war. Besonders am Herzen lag dem bibliophilen Humanisten die Kunst des Buchschmucks; Reuchlins Wappen, das ihm 1492 in Linz von Kaiser Friedrich III. verliehen wurde und laut Urkunde unter anderem zur Verwendung auf »Siegeln, Ringen und anderen Kleinodien« bestimmt war, schmückte nicht selten auch die Handschriften und Drucke seiner Werke. Reuchlins Pionierleistungen als polyglotter Philologe waren an die Vervollkommnung der damals noch jungen Technik des Buchdrucks mit beweglichen Lettern geknüpft, deren Meister bald auch mit fremden Alphabeten experimentierten und Bücher von größter Anmut schufen. Kostbare Autographe und Erstausgaben von Reuchlins Werken aus dem Stadtarchiv Pforzheim und weitere Leihgaben aus Bibliotheken des In- und Auslands beleuchten das Nebeneinander von Handschrift und Druck, das für Reuchlin und die Humanisten seines Umfelds noch selbstverständlich war.
Kalligraphie und Schmuck mit ZeichenVon schmucken Handschriften und kostbaren Drucken aus dem Umfeld Reuchlins spannt sich der Bogen zu zeitgenössischer Kalligraphie aus der Sammlung der Akademie der Künste in Berlin und skulpturalen Arbeiten des Künstlerduos Fischerartwork. Darüber hinaus zieht sich das Thema »Sprache und Schriftzeichen im Schmuck« wie ein roter Faden durch die Dauerausstellung. Hier werden zu jeder Epoche Preziosen hervorgehoben, die sprachliche Elemente beinhalten. Aus der Sammlung Sibylle und Wolfgang Mayer ist in der Galerie zum Hof nubischer Silberschmuck zu sehen. Er weist eine vielfältige Ornamentik und Symbolik auf.
Per Videoinstallation werden in einzelnen Sammlungsräumen zudem Texte der Menschheitsgeschichte gezeigt, und Besucher können dem bibelschreibenden Roboterarm »bios [bible]« von robotlab bei seiner Arbeit über die metallene Schulter schauen.
Unter dem Titel »Chiffre – die geheime Sprache des Schmucks« zeigt die Goldschmiedeschule eine Ausstellung im Dialog bei Schütt – Schmuck & Edelsteine, dem Reuchlinhaus gegenüber.
Weitere Informationen zum Reuchlinjahr unter reuchlinjahr 2022.de