Liminalsist als wiedergefundene Episode einer Dokumentarserie über Randgesellschaften („Periphery Altruist Cultures“) inszeniert, die auf den weit verbreiteten Verlust der Fähigkeit zu glauben reagieren. Drei Generationen nach der Gegenwart ist die Menschheit aufgrund dieser Entwicklung vom Aussterben bedroht. Eine Gruppe namens „The Liminals“ ist überzeugt, durch die Injektion von Maschinen-DNA und die Wiederaufnahme einst aufgegebener spiritueller Rituale Zugang zueinem „Paraspace“ zwischen dem physischen und dem virtuellen Raum zu erhalten, um von dort aus eine neue Phase menschlicher Evolution einzuleiten. Im Stil des Cinéma vérité der 1970er-Jahre begleitet Liminals die Mitglieder der Gruppe bei ihren verschiedenen kathartischen Praktiken –von Herumwirbeln und Kundalini-Yoga bis zu Modern Dance und Headbangen. Sie sind der Versuch, ihre gegenwärtige Realität zu durchbrechen und die Menschheit zu retten.I Can See Foreverist als Fernsehdokumentarserie über „TheSingularity Project“ angelegt –ein gescheitertes Regierungsexperiment, das auf die Erschaffung einer harmonischen Synthese von Mensch und Maschine abzielte. Der Film spielt etwa 40 Jahre in der Zukunft und verwendet Fly-on-the-wall-VHS Filmmaterial der 1990er-Jahre, um die Geschichte des 27-jährigen Roderick Dale, dem einzig bekannten Überlebenden des Projekts, aufzudecken. Obwohl Dales Erbmaterial zu 8,7 Prozent aus Maschinen-DNA besteht, interessiert er sich nicht für die Virtual-Reality-Möglichkeiten seiner Zeit und widmet sein Leben dem Tanz. Dale behauptet, während seiner einzigartig virtuosen Tänze in der Lage zu sein, „Für Immer zu Sehen“ –eine vielschichtige und fragwürdige Redewendung seiner Zeit, die er als die Fähigkeit definiert, eine digitaleEbene vollkommener Transzendenz zu erreichen und dabei die leibliche Präsenz zu bewahren. Die Trilogie wird ergänzt durch Shaws Fotoserie Towards Universal Pattern Recognition(2016–2020). Die gerahmten Archivaufnahmen zeigen Personen in Zuständen spiritueller, hedonistischer oder technologischer Katharsis. Die Fotografien sind in Prismenglas gefasst, das mehrfach gebrochene Bilder eines bestimmten Elements erzeugt. Diese Darstellungsform der Fotografien scheint nicht nur dem veränderten Bewusstseinszustand der fotografierten Subjekte zu entsprechen, sie lenkt die Aufmerksamkeit auch auf die Perspektive der Kamera sowie die Überzeugungen und Wertevorstellungen von Fotograf*in und Betrachter*in.
Text: Maxwell StephensDie Quantification Trilogyist Teilder JULIA STOSCHEK COLLECTION und in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein in Hamburg und der Esker Foundation in Calgary, Kanadasowie mit Unterstützung der KÖNIG GALERIE und dem Canada Council for the Arts entstanden. Begleitend zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation. Jeremy Shaws Quantification Trilogy Reader ist eine Erweiterung des künstlerischen Projekts und der Installation. Das Buch gibt die Erzählungen der Filme durch vollfarbige Videostills im Originalausschnitt wieder, um eine immersive visuelle Erfahrung hervorzurufen. Die Publikation beinhaltet zudem die Voiceover-Transkripte und essayistische Texte zu den Themen der Arbeiten.
Jeremy Shawwurde 1977 in North Vancouver, Kanada, geboren. Er lebt und arbeitet in Berlin. Letzte Einzelausstellungen u.a. im Centre Pompidou, Paris; MoMA PS1, New York; Schinkel Pavillon, Berlin; MOCA, Toronto. Shaws Arbeiten waren Teil von internationalen Überblicksausstellungen wie der 57. Biennale von Venedig und der Manifesta 11. 2018 erhielt er eine Residency am Hammer Museum, Los Angeles. 2016 wurde er mit dem kanadischen Sobey Art Award ausgezeichnet. Werke von Shaw befinden sich in internationalen öffentlichen Sammlungen, darunter MoMA, New York; Centre Pompidou, Paris; Tate Modern, London; Sammlung zeitgenössische Kunst der Bundesrepublik Deutschland.
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