Wassily Kandinsky und Gabriele Münter – wir kennen sie als zentrale Figuren der Künstler*innenformation Der Blaue Reiter. Bereits vor dieser Zeit verband die beiden eine enge künstlerische Beziehung. Die Ausstellung widmet sich erstmals ihren gemeinsamen Wegen in den Jahren von 1902 bis 1908. Auf zahlreichen Reisen schuf das Paar kleine Malereien und Fotografien: unter freiem Himmel und mit leichtem Gepäck. Etwa in Kallmünz, Rotterdam, Tunis, Rapallo und Paris entstanden Ölskizzen, Fotografien und Zeichnungen direkt vor den Motiven. Unter diesen Werken befinden sich zahlreiche Ölstudien, Fotografien und Skizzenbücher von Gabriele Münter, die zum ersten Mal in einer Ausstellung gezeigt werden. Sie ermöglichen uns, die besonders nahe, gemeinsame Auseinandersetzung des Paares mit denselben Motiven und künstlerischen Techniken nachzuvollziehen, zeigen uns gleichzeitig aber auch die ganz persönlichen, individuellen Wahrnehmungen ihrer Umgebung.Auf Einladung des an der Phalanx-Schule lehrenden Kandinsky nahm Münter am Sommeraufenthalt seiner Klasse 1902 in Kochel teil. Unterwegs mit Kamera, Paletten, kleinen Malpappen, zusammengefalteter Staffelei und verschließbaren Farbtuben fuhren sie mit dem Fahrrad durch die Landschaften des Voralpenlandes. Nach den ersten gemeinsamen Wochen in Kochel verbrachten sie den zweiten Malsommer der Klasse Kandinskys 1903 in Kallmünz, nun als Paar.
Hier entwickelten sie ein erkennbar aufeinander bezogenes künstlerisches Arbeiten, das sie in den nächsten Jahren während ihrer gemeinsamen Reisen fortführen sollten. Sie näherten sich demselben Motiv, nutzten dabei verschiedene Techniken, verwendeten unterwegs entstandene Fotografien auch als Vorlage für Zeichnungen, Holzschnitte und Gemälde und diskutierten über individuelle künstlerische Weiterentwicklungen.
Ab 1904 begab sich das Paar bis 1908 auf Reisen. Mobilität bestimmte ihr Privatleben sowie ihre künstlerische Arbeit. Sie widmeten sich vorwiegend Landschaften und Architekturen der gewählten Zielorte. Dabei folgten sie den Wegen, die auch in Reiseführern der Zeit vorgeschlagen und von touristischen Vorgänger*innen geebnet wurden, ob in Deutschland, den Niederlanden, Italien oder Tunesien. In ihrer Arbeitsweise zeigt sich der Einfluss des Impressionismus: Der Pinsel wurde kaum genutzt und die Farbe nahezu ungemischt mit dem Palettenmesser aufgetragen. Die Formate sind klein und intim, der Einsatz der Farbe stand im Mittelpunkt ihres Interesses. Unberührt von der sozialen Realität der Welt orientierten sich ihre Arbeiten an der Erscheinung der Oberflächen.
Neben den Ölskizzen entstanden zahlreiche Fotografien, die insbesondere Münter fertigte; ihre Kodak-Rollfilmkamera trug sie stets bei sich. In ihnen zeigt sich der Gestaltungswille einer Malerin, deren Fotografien heute für uns nicht mehr nur einen dokumentarischen und privaten Wert besitzen. Es sind Fotos, deren künstlerischer Blick uns in Erstaunen versetzt. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der fotografischen und gemalten Bilder zeigen uns die Fragestellungen dieses modernen Künstler*innenpaares. Von Kallmünz bis Karthago begaben sie sich mit antiakademischen und impressionistischen Mitteln auf die Suche nach einer zeitgenössischen Ästhetik in der Malerei.
Nach vier Jahren Reisezeit mit einem abschließenden Jahr in Paris 1906–1907 kehrten sie nach Deutschland zurück, verbrachten den Winter in Berlin, das Frühjahr in Südtirol, bevor sie im Frühsommer 1908 den Entschluss fassten, das unstete und sozial reduzierte Wanderleben zu beenden und sich wieder dauerhaft in München niederzulassen. An diesem Punkt endet die Ausstellung, die die besondere künstlerische Nähe Kandinskys und Münters in den frühen gemeinsamen Jahren von 1902 bis 1908 herausstellt.
Kuratiert von Sarah Louisa Henn und Matthias Mühling
Eine Kooperation des Lenbachhauses mit der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung
Mit freundlicher Unterstützung des Förderverein Lenbachhaus e.V.