Haus der Kunst, München, SüdgalerieKünstlerverbund im Haus der Kunst Münchenvon Berkan Karpat / Dr. Cornelia Oßwald-Hoffmann / Rainer Ludwigunter Mitwirkung von Hakan Gündüz, DECOL (KI Tools)
Die hypermoderne Verschiebung der Aufmerksamkeit vom Künstler zum maschinellen Prozess, der den künstlerischen Akt zur Mittelwertermittlung von Datenstrukturen reduziert, ist vollzogen. Der KI-Prozess ist der neue Mythos. Hatte der Künstler in der Spätmoderne den Fokus vom Kunstwerk auf den Künstler selbst verschoben, sich selbst zum Kunstwerk erhoben und damit seinen künstlerischen Akt zum Mythos manifestiert, droht ihm jetzt die gänzliche Abschaffung. Selbst wenn der Künstler der erste Impulsgeber und somit der Urheber ist, wird sich die KI langfristig gesehen davon emanzipieren und die Urheberschaft wird sich verlagern.Der Kunstmarkt jedenfalls reagiert bereits auf diese neue Situation. Das durch KI-Prozesse hergestellte Werk des französischen Kolletivs Obvious erzielte bei einer Auktion den Wert von über 400.000 $.
Every new beginning comes from some other beginning's end. - SenecaDer Mensch ist in ein neues, epochales Verhältnis zur Maschine eingetreten. Gleichzeitig wächst Kunst immer mehr in den Alltag des politisch-sozialen Raumes hinein und generiert ein neues Verhältnis zwischen Mensch und Maschine im ästhetischen Kontext. So entstehen ästhetische „Maschinen-Wesen“. Sophia heißt die erste Robotermaschine, die die saudische Staatsbürgerschaft besitzt. In China spricht ein humanoider Roboter die Abendnachrichten. In Japan heiratet ein Mann die Hologramm-Popsängerin Miku Hatsune. Im Rückschluss können diese Verwachsungen von Mensch und Maschine auch für die Kunst nicht folgenlos bleiben. Immer schon haben neue technische und materielle Möglichkeiten auch neue Formen von Kunst hervorgebracht.
Artist InstallationMEMO AKTEN I SOUGWEN CHUNG I HAKAN GÜNDÜZ I PATRICK TRESSET
Artist Live Act (collaboration with AI)ELKE DREIER I MANUEL EITNER I JUDITH GOLDSCHMID I ZITA HABARTA I NICOKIESE I GÜNTHER NOSCH I SUSANNE PITTROFF I TAMIKO THIEL I FELIX WEINOLD
und Arbeiten zahlreicher weiterer Künstler
Mit einer Präsentation der Ars Electronica
Generell sind wir in ein neues Verhältnis zwischen Kunstwerk und Produzent eingetreten. Ihre Spuren zeichnen sich in der Ausstellung „Götzendämmerung“ nach. Nach dem fulminanten thematischen KI-Auftakt mit einer Arbeit des belgischen Künstlers Patrick Tresset versammeln sich im ersten Ausstellungsraum die analogen Kunstwerke, deren Herstellung auf die Künstler zurückweisen. Im folgenden Raum finden sich Übergänge zwischen analogen und digitalen Prozessen. Die amerikanisch-kanadische Künstlerin Sougwen Chung arbeitet zusammen mit einer selbstrainierten KI, einem Roboter, der ihre Malgeste in einer gemeinsamen Malperformance multipliziert und wiedergibt. Zugleich überführt Patrick Tresset in seiner zweiten Arbeit die mit seinen verschiedenen Malstile trainierte KI in neue Werke ohne sein Mitwirken. Hakan Gündüz geht hier einen Schritt weiter. Die KI erzeugt im maschinellen Zusammenspiel mit sich selbst flüchtige Bildwerke, die auf digitalen Bildschirmen wiedergegeben werden. Auch bei den ausgestellten Werden von Obvious entschwindet der menschliche Künstler. Die KI hat hier die Kunstwerke erzeugt.
Reduziert auf ihre ästhetische, digitale Oberfläche löst sich die Kunst aus ihrem humanoiden Zusammenhang und kondensiert zu einer eigenständigen, kreativen Größeneinheit. So erst wird sie zu einem algorithmisch verwertbaren Faktor, der als solcher in den Prozess der Transhumanisierung einbezogen werden kann, d.h. je transhumaner der Mensch wird, desto transhumaner wird die Kunst, die er produziert und konsumiert. In diesem Prozessansatz löst sich Kunst nicht auf und verschwindet auch nicht aus der Gesellschaft, sondern wird wie diese mit- und umgeformt. Dieses Szenario ist vorstellbar. Aber wird es sich ereignen und wenn ja - will man das überhaupt? Götzendienst oder Götzendämmerung oder ganz was anderes?
„Götzendämmerung“ ist der Auftakt zu weiteren Ausstellungen im Haus der Kunst, die die Elektronische Gegenwartskunst in den Mittelpunkt stellen. Ausgerichtet werden sie vom Künstlerverbund im Haus der Kunst, jener Künstlerschaft, die seit 1949 im Haus der Kunst ansässig ist, ehemals die Ausstellungsleitung inne hatte und gegenwärtig zu der Seltenheit gehört, zu einem Museum zu gehören und darin Ausstellungsautonomie zu besitzen.