Roland Reiters Installation „Twins“ zeigt zwei miteinander verschweißte, gold verspiegelte Lamborghini Sportwagenkarosserien im Schwebezustand. Der Blick auf das Innere des Objektes wird verwehrt und auf den Betrachter zurückgeworfen.MQ ART BOX MQ Haupthof / vi à vis Leopold Museum
Was passiert, wenn zwei Statusobjekte ihrer Funktion beraubt und zum Material eines Künstlers werden? Es entsteht hier eine neue Verbindung, die jedoch die Essenz einer früheren Bestimmung noch immer in sich trägt. Das Objekt umgibt die Aura eines Versprechens — auf Anerkennung, Geltung, Schönheit, oder auf das richtige Leben, in dem alles glatt läuft. Der Modellname „Countach“ steht für „non plus ultra“, für einen Ausruf in dem sich Erstaunen und Bewunderung vereinen. Doch im neuen Kontext löst sich das Versprechen nicht ein. Das doppelte „non plus ultra“ schafft einen Widerspruch.
Der Schweizer Kunsthistoriker Philip Ursprung stellt eine alternative Auslegung der Pop Art vor. Statt als Kritik oder Affirmation der amerikanischen Konsumgesellschaft, schlägt er vor, Pop Art als Erinnerung an die Frühgeschichte des Konsums zu verstehen, als nostalgischen Impuls, als Erinnerung an eine verschwundene Zeit. Wenn man diesen Gedanken weiterdenkt und auf die Installation „Twins“ anwendet, gelangt man nicht an diesen initialen Konsummoment. Vielmehr scheint man den Moment nach dem Rausch zu erreichen. Das ist der Punkt, an dem die Ausnüchterung einsetzt, an dem man sich fragt, was passiert ist und wozu es eigentlich gut war.
Die goldene, spiegelnd, glatte Oberfläche setzt Roland Reiter dabei bewusst ein, um eine Ästhetik zu erzeugen, die einen auf Gefälligkeit getrimmten Schönheitsbegriff überreizt und damit entlarvt. Für den Berliner Philosophen Byung-Chul Han charakterisiert „das Glatte“ unsere Gegenwart. Er hinterfragt das Streben nach glatten Flächen, die so gestaltet sind, dass Kratzer und Makel wieder verschwinden. Er erkennt hinter dieser Ästhetik den Wunsch danach, Verletzlichkeit zu vermeiden: „Diese glatte Oberfläche des Smartphones ist eine Haut, die nicht verletzbar ist, die sich jeder Verletzung entzieht. Und ist es nicht tatsächlich so, dass man auch in der Liebe heute jede Verletzung meidet?“Eine interessante Frage, denn wird Geltungsdrang nicht öfter mit dem Wunsch nach Liebe verwechselt? Die Fahrt mit dem Lamborghini Countach geht in Roland Reiters Installation „Twins“ in rasanter Fahrt weiter, aber full-speed auf einer inneren Ebene.
Nina GospodinMQ ART BOX presentsROLAND REITERTWINS
www.rolandreiter.com
Exhibition: 7.7. – 15.8.2020Mon-Sun: 00:00 – 24:00
MQ Haupthof / vi à vis Leopold MuseumMuseumsplatz 11070 Wien
Seit 2014 ist die MQ ART BOX im Haupthof des MuseumsQuartier, kuratiert von Elisabeth Melichar, ein Ausstellungsraum für temporäre Kunstinstallationen. Die MQ ART BOX ist damit eine optimale Ergänzung zu den Inhalten und Vermittlungsprogrammen der großen Museen am Areal und rund um die Uhr bei freiem Eintritt zugänglich. Pro Jahr werden bis zu sechs Installationen österreichischer und internationaler KünstlerInnen präsentiert.