Die Künstlerin arbeitet konzeptionell im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Sie schafft Charaktere, Gesichter, Masken, fantastische Lebewesen und Formen, die zwischen Objekt und Subjekt verortet sind. Die abstrakten Arbeiten sind immer noch Kreaturen, zumindest die Häute von Kreaturen – Objekte mit Seele, zwischen Mensch und Tier. Konstante Elemente in Achaintres animistisch anmutenden Werken sind die Maskerade, das Archaische, das Dunkle und Geheimnisvolle – an der Grenze zum Unheimlichen. Im Wort „unheimlich“ stecken wiederum das Heimliche und das Heim. Aus diesem Grund verwendet Achaintre Materialien wie Wolle, die aus einem häuslichen Kontext stammen.
Im Belvedere 21 zeigt Caroline Achaintre hauptsächlich neue Arbeiten – eine Serie von Keramiken und großformatigen Tapisserien, die sie liebevoll „eine neue Gang“ nennt. Eine mit Mohair getuftete Arbeit heißt Martian Girl oder eigentlich Mart’an G’rl – die Vokale sind angelehnt an eine Lautwiedergabe der Umgangssprache durch Apostrophe ersetzt worden. Sie ist inspiriert von einer valdivianischen Skulptur, aber auch vom Film Mars Attacks!. Der verfilzte Mohair erinnert an eine schlechte Dauerwelle und leiht damit der Ausstellung den Titel. Die Ausstellungsarchitektur geht auf die niedrige Raumhöhe im Untergeschoss des Museums ein und bildet eine Art Raumschiff für Achaintres Kreaturen, ein temporäres Habitat „on the move“.
Nach einer Ausbildung zur Schmiedin und einem Studium an der Kunsthochschule in Halle an der Saale, am Chelsea College of Art and Design sowie am Goldsmiths, University of London schafft Caroline Achaintre nach frühen Arbeiten aus Metall und Aquarellen vorwiegend Installationen – erst mit Styropor, später mit Wolle und Keramik. Nachdem sich Textil und Keramik in der Kunst seit den 1960er-/1970er- Jahren von Zuschreibungen des Häuslichen emanzipiert haben, kann die 1969 geborene Künstlerin vorbehaltlos alle Techniken und Materialien einsetzen, die ihren Themen und Formuntersuchungen gelegen kommen.
An den Medien Wolle, Keramik und Wasserfarbe interessieren Caroline Achaintre die Materialität, die Wirkung der Oberfläche und der intuitive Arbeitsprozess. Die Herstellungsweise ist sehr körperlich und energiegeladen – dadurch vermitteln die Arbeiten eine gewisse Aura und Intensität. Bei der Technik des Tuftens entstehen Bilder mit Reliefcharakter aus einzelnen Wollfäden, die von hinten durch eine Leinwand geschossen werden.
Achaintres Formensprache und Ikonografie sind reich und divers. Stilistisch weisen ihre Werke Bezüge zum deutschen Expressionismus, zum Primitivismus, zur Arts-and-Crafts-Bewegung und zum Fauvismus auf. Inhaltlich und formal setzt sich die Künstlerin mit mitteleuropäischen Karnevals- und Faschingsbräuchen auseinander. Einflüsse von Horror, Fetisch, Heavy Metal und Science-Fiction finden ebenso Eingang in ihr Schaffen wie die Auseinandersetzung mit der musealen Präsentation von ethnologischen Sammlungen. Damit verweist sie unter anderem auf das Erbe des Kolonialismus, auf Aspekte der Psychoanalyse und auf abgelegene Nischen der Jugendkultur.
BELVEDERE 21Quartier Belvedere, Arsenalstraße 1,, 1030 WienÖsterreich01.03.2019 - 02.06.2019Dienstag 11 bis 18 UhrMittwoch 11 bis 21 UhrDonnerstag bis Sonntag 11 bis 18 UhrAn Feiertagen geöffnet
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