Vom utopischen Versuch gemeinsam zu verändern Ein prekäres Singspiel von Beate Engl, Leonie Felle und Franka Kaßner Installation und Aufführungen 14–20 Uhr, Eintritt freiPREKÄROTOPIA ist frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden Personen sind jedoch keineswegs zufällig.
Die Künstlerinnen Beate Engl, Leonie Felle und Franka Kaßner spielen Speaker, Poupée und Trickster, die im System PREKÄROTOPIA zwischen Tanzeinlage und Abrissbirne leben. Der Titel des Stücks vereint „Prekariat*“ und „Utopie“ zu einer Art Kippfigur, in der zugleich Möglichkeit und Unmöglichkeit aufscheint.
Auch dramaturgisch und musikalisch ist das Stück von Gegensätzen und Brüchen gekennzeichnet: Mal individualistisch vereinzelt und misanthropisch, mal in solidarischer Euphorie gegen die bestehenden Bedingungen vereint, sind die Charaktere weder statisch noch prototypisch, sondern entwickeln sich im Laufe des Stücks – aufeinander zu und aneinander vorbei.
Die insgesamt zwölf von den Künstlerinnen komponierten und verfassten Lieder – darunter gehauchtes Chanson, agitatorischer Appell und röhrender Punksong – umreißen eine Ästhetik der politisch-ideologischen Differenz und werfen Fragen über Form und Wirkung gemeinschaftlichen politischen Handelns auf. In Anlehnung an Bertolt Brechts Definition der „Bettleroper“ als Stück für, nicht über „Bettler“ versteht sich PREKÄROTOPIA nicht als gesellschaftliche Bestandsaufnahme, sondern als Kommunikationsmittel.
PREKÄROTOPIA liegt eine unorthodoxe Interpretation des traditionellen Singspiels zugrunde. Als Singspiel gilt ein meist heiteres Schauspiel mit musikalischen Einlagen. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts entwickelte es sich zum einfacheren, bürgerlichen Gegenstück der aufwändig produzierten höfischen Oper. Die breit gestreuten Vorbilder für das Stück von Engl, Felle und Kaßner reichen vom sowjetischen Künstlertheater und linksrevolutionären Arbeiterliedern der 1920er Jahre über den deutschen Revuefilm und das US-amerikanische Aqua-Musical der 1950er Jahre bis hin zu Musikvideos der Neuen Deutschen Welle.
Die Uraufführung des Stücks sowie zwei weitere Vorführungen finden im Kunstbau des Lenbachhauses statt. Die Installation aus Skulpturen, Instrumenten, Kostümen, Liedern und Videos kann über die gesamte Laufzeit im Kunstbau besichtigt werden.
*Das „Prekariat“ bezeichnet den Teil einer Bevölkerung, der, bedingt durch unsichere Arbeitsverhältnisse, in Armut lebt oder von Armut bedroht ist
Kuratiert von Stephanie Weber