Ming Wongs Videoarbeiten basieren häufig auf der künstlerischen Aneignung von Spielfilmen oder der Verwendung von popkulturellen Zitaten. Er beschäftigt sich mit deren Repräsentation von Geschlecht, Sprache und Identität und entwickelt eine Position des Dazwischen, der Uneindeutigkeit. Im Rahmen von 12x12 zeigt die Berlinische Galerie drei neuere Werke, in denen sich Wong mit unserer fragmentierten Wahrnehmung von Realität auseinandersetzt.Im Zentrum von Ming Wong, Bloody Marys – Song of the South Seas, 2018 (10:35 Min.) steht Bali Ha’i, ein Lied aus dem Musical South Pacific (1949), das 1958 auch verfilmt wurde. Es bezieht sich auf eine Insel im Südpazifik, die als Idealbild des „Exotischen“, „Anderen“ inszeniert wurde – eng verknüpft mit einer kolonial geprägten Vorstellung der Matriarchin der Insel, Bloody Mary, die (westliche) Männer mit ihrem Gesang anlockt. In einer Art Kaleidoskop der Verkörperungen collagiert Ming seine eigene Repräsentation der Bloody Mary mit jener von Juanita Hall, die für ihre Darstellung als erste afroamerikanische Frau einen Tony Award erhielt. Lehre Deutsch mit Petra von Kant / Teach German with Petra von Kant, 2017 (8:00 Min.) bezieht sich auf eine ältere Arbeit mit dem Titel Lerne Deutsch mit Petra von Kant / Learn German with Petra von Kant. Diese entstand 2007, kurz bevor Wong nach Berlin zog und war ein Versuch, wie ein*e Deutsche*r zu sprechen – durch die Nachahmung von Margit Carstensen in ihrer Rolle als Modedesignerin Petra von Kant in Fassbenders Film Die bitteren Tränen der Petra von Kant (1972). Die dabei erlernte Sprache, aber auch die Attitüde der Figur halfen Wong, nach eigenen Aussagen, in den darauffolgenden Jahren durch manch herausfordernde Situation.
Nach zehn Jahren in Berlin entstand nun eine Adaption der Arbeit, in der zehn Studierende der Universität der Künste, an der Wong eine Professur innehatte, in die Rolle der Petra von Kant schlüpfen – manche von ihnen ebenso neu in Berlin wie Wong vor 10 Jahren.
In Next Year / L’Année Prochaine / 明年, 2016 (17:40 Min.) beschäftigt sich Wong mit Alain Resnais‘ Film L’Année dernière à Marienbad (1961). Die Nouvelle Vague-Ikone zeichnet sich durch eine Ambiguität in der Erzählung und eine innovative Bildsprache aus – beides Elemente, die Wong in seiner Arbeit zuspitzt. So erfährt man in L’Année dernière à Marienbad nie, an welchem konkreten Ort die Handlung stattfindet – ein Umstand, den sich Wong zunutze macht, wenn er seine Version im Marienbad Café und dem Fuxing Park aufnimmt, beide in Shanghai und geprägt durch koloniale Einflüsse. Durch die Überlagerung kultureller Codes kommt es ebenso zu Irritationsmomenten wie durch Wongs Verkörperung der männlichen wie weiblichen Protagonist*innen – gewohnte Zuschreibungen werden durchbrochen.
Ming Wong wurde 1971 in Singapur geboren. Er studierte an der Slade School of Art, London, sowie an der Nanyang Academy in Singapur. Seine Arbeiten wurden bisher unter anderem jüngst im Rahmen der Busan Biennale, Südkorea, auf der 53. Biennale Venedig, im Museum of Modern Art, Warschau, der nGbK Berlin, dem Hartware MedienKunstVerein Dortmund und dem Gropius Bau, Berlin gezeigt. 2016–2018 hatte er eine Gastprofessur an der Universität der Künste, Berlin. Ming Wong lebt und arbeitet in Berlin.