Wien, 29. Mai 2019 Zwei Jahre nach ihrer fulminanten Präsentation auf der 57. Internationalen Kunstausstellung La Biennale Di Venezia realisiert Brigitte Kowanz für die 13. Cairo Biennale unter dem Titel United in Diversity eine große Installation, die den Einfluss neuer Technologien und sozialer Medien auf unsere heutige Gesellschaft buchstäblich reflektiert. Zu sehen ist die Installation im Rahmen einer Gruppenausstellung vom 10. Juni bis 10. August 2019 im Palace of Arts in Kairo.Ort: Palace of Arts (EG), Ard El Opera, El Gezirah, Zamalek, Kairo, Ägypten Dauer: 10. Juni – 10. August 2019 Eröffnung: 9. Juni 2019, 18 Uhr
Die 13. Kairo Biennale findet nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings in den Jahren 2010/2011 das erste Mal wieder statt. Diese Ausstellungsbeteiligung füllt zugleich, den letzten blinden Fleck auf der Ausstellungsliste der international renommierten Wiener Konzeptkünstlerin (*1957), die nun in institutionellen Ausstellungen auf allen Kontintenten vertreten war.
Die Überzeugung von neuen Technologien, eine Reflektion von deren Einfluss auf unsere heutige Gesellschaft, deren Möglichkeiten, aber auch Gefahren, stehen im Zentrum der Auseinandersetzung von Brigitte Kowanz’ Installation für die 13. Cairo Biennale. Licht ist nicht nur die Grundlage allen Lebens, ebenso ist es die Basis post-analoger Kommunikation.
Brigitte Kowanz hat das Licht als immaterielles Medium der Skulptur gewählt. Sie verwendet Spiegel, um den realen Raum in eine Serie virtueller Räume zu verwandeln. Damit reflektiert sie physisch und metaphorisch über den Begriff Raum im Zeitalter der Telekommunikation. In all ihren Werken spielen Licht als Ausdehnung des Bildes und Raumes eine gleichbedeutende Rolle wie Sprache und Codes (z.B. Morse-Code). Daher wird der physikalische Raum in ihrer immersiven Installation in einen Datenraum verwandelt. Kowanz verwendet Licht nicht als Farbe, sondern als Information. Licht kann als universaler Code betrachtet werden. Alles, was wir wissen, wissen wir durch das Licht. (Christa Steinle)
In mehr als dreißig Jahren kontinuierlicher Arbeit hat Brigitte Kowanz ein eigenständiges künstlerisches Vokabular des Lichts geschaffen. Vokabular ist buchstäblich zu verstehen, denn Brigitte Kowanz setzt Licht als Sprache, als Code ein. Sie arbeitet mit reinem Licht als selbstständigem Medium wie früher die Maler mit reiner Farbe. Ein entscheidender Aspekt ihrer Lichtkunst ist der Gebrauch von Sprache, der aus der Erfahrung urbaner Räume und der Begriffsschrift der Konzeptkunst stammt. Gleichzeitig erweitert sich dieser reale Raum durch Spiegel, Zweiwegspiegel, künstliches Licht und so weiter für den Körper zu einem virtuellen Raum. Die Wörter dirigieren den Besucher in einen konzeptuellen Raum, in einen fiktiven Raum, in einen Denkraum. Kowanz modelliert beziehungsweise referiert auf den globalen Datenraum des Internets. Mit dieser Lichtrauminstallation, einer Erweiterung ihrer bisherigen Lichtboxen, bietet Brigitte Kowanz nicht nur eine sinnliche Erfahrung, sondern thematisiert auch eine technische Entwicklung, die das menschliche Leben radikal veränderte: das Internet. Deswegen verwendet Brigitte Kowanz zwei Aussagen über das Internet, die sie im Morsealphabet codiert: Mit dem Datum 12.03.1989 verweist sie auf die Vorstellung des Internets im CERN, Genf, durch Tim Berners-Lee. Mit dem Datum 06.08.1991 erinnert sie an den Moment, in dem die erste Website online ging und somit das Internet öffentlich zugänglich wurde. Sie modelliert beziehungsweise referiert auf den globalen Datenraum des Internets. Wie sieht eine Welt nach und jenseits der Schrift aus? Wie werden wir in einer Welt leben, in der Realraum und virtueller Raum verschmelzen? Wie werden wir mit der Unendlichkeit dieser Datenräume zurechtkommen? Die Begegnung mit sich selbst im Spiegel wirft den Betrachter auf sich selbst und sein Erleben der Welt in den virtuellen Räumen zurück. Es entstehen mehrere konzeptuelle Metaebenen: Der Mensch erlebt sich als Nomade zwischen Codes. Das Licht transportiert via elektromagnetischer Wellen die auf Codes basierende Information des Internets.
Insofern ist das zentrale Werkprinzip von Brigitte Kowanz, die Lichtcodierung, schon immer ein Vorgriff auf die Welt des Internets gewesen. Denn die Codierung ist das Fundament der Digitalisierung und damit des Internets. (Peter Weibel)
Das Internet und die sozialen Medien sind nicht nur die zentralen Quellen heutiger Kommunikation. Der Einfluss und die Macht von Facebook, Twitter, YouTube und Co. ist in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen. Soweit, dass diese Medien tatsächlich heutige Gesellschaften formen. Gleichzeitig sind neue Technologien und soziale Medien höchst ambivalente Dispositive. Einerseits tragen die immersiven Bildschirme unserer Smartphones zur Absorption der Realität in den digitalen Raum bei. Andererseits sind diese Räume Orte der Begegnung, in denen sich Menschen vom gesamten Globus in Diversität vereint (United in Diversity) bewegen.
Mit dieser Installation überlagert Brigitte Kowanz Licht, Spiegel und virtuelle Räume, um zwei verschiedene Arten der heutigen Raumerfahrung in das Zentrum der Wahrnehmung zu rücken. Während Betrachterinnen und Betrachter sich im realen Raum befinden, begegnen sie innerhalb der erweiterten virtuellen Räume der Spiegelarbeiten deren eigener Reflexion.
Licht ist ein Medium der Erkenntnis. Insofern initiiert Brigitte einen Realitätscheck, die Reflektion unserer aktuellen Position, irgendwo zwischen virtuellem Raum, zwischen Raum und Zeit.
Im Winter 2019/2020 widmet das Museum Haus Konstruktiv in Zürich Brigitte Kowanz eine umfassende Retrospektive.