Die Restaurierung des von Carl Gotthard Langhans in Rheinsberg geschaffenen Schlossraumes ist abgeschlossenDank der Unterstützung starker Partner konnte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) die Restaurierung des Muschelsaals im Schloss Rheinsberg abschließen. Ermöglicht wurde diese 2015 begonnene große Wiederherstellungsmaßnahme durch die Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, die Kulturstiftung der Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und die Ostdeutsche Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Ostprignitz-Ruppin.
Der Muschelsaal entstand 1769 im Auftrag des Prinzen Heinrich von Preußen (1726-1802). Es handelt sich um den einzig erhaltenen Innenraum aus der frühen Schaffensperiode des Architekten Carl Gotthard Langhans d. Ä. (1732-1808), dessen bekanntestes Werk das von 1789 bis 1791 errichtete Brandenburger Tor in Berlin ist.
Mit eigenen Mitteln konnte die SPSG zugleich auch das Treppenhaus im Klingenbergflügel wiederherstellen, das von Kronprinz Friedrich (der Große, 1712-1786) ab 1736 als Zugang zu seinen privaten Gemächern genutzt wurde. Das Treppenhaus zählt zu den wenigen noch erhaltenen frühen friderizianischen Schlossräumen und wurde seit 2016 umfassend restauriert. Nach nahezu 70 Jahren der Überformung und Veränderung ist es nun wieder in seiner ursprünglichen Fassung zu erleben. Die Restaurierungskosten für das Treppenhaus beliefen sich auf ca. 200.000 Euro.
Geschichte des MuschelsaalsDer ältere Spiegelsaal und der Muschelsaal sind die beiden großen Festsäle des Rheinsberger Schlosses. Beide Schlossräume haben für die Architektur- und Kunstgeschichte Brandenburg-Preußens im 18. Jahrhundert herausragende Bedeutung. Steht der von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753) entworfene Spiegelsaal am Anfang des friderizianischen Rokoko, wird der Muschelsaal zu den frühen Zeugnissen des beginnenden Klassizismus unmittelbar im Umfeld des Berlin-Potsdamer Raumes gerechnet. Insofern steht auch dieser Schlossraum für den innovativen Charakter des Rheinsberger Schlosses, das mit seinen beiden Bauherren – Kronprinz Friedrich und Prinz Heinrich eine Plattform für junge Künstler bot, die wenig später ihre künstlerische Meisterschaft in den Metropolen zeigen konnten.
Auf Wunsch des Prinzen Heinrich wurde Carl Gotthard Langhans d. Ä. im Herbst 1766 von Breslau nach Rheinsberg beordert. 25 Jahre vor der Errichtung des Brandenburger Tores konnte hier der noch wenig bekannte Baumeister zahlreiche Entwürfe für Umbauarbeiten am Schloss, im Garten und auch in der Stadt fertigen. Nach dem leider heute nicht mehr erhaltenen Raumentwurf wurde der neue Festsaal anstelle der ursprünglichen vier Wohnkabinette der Kronprinzessin Elisabeth Christine in der südöstlichen Ecke des Klingenbergflügels und des Corps de Logis 1769 durch den Bauintendanten Carl Wilhelm Hennert (1739-1800) errichtet. Die Zeitgenossen schätzten den neuen Schlossraum wegen seines „neuen und sehr anmuthigen Geschmacks“. Ist die Deckengestaltung noch deutlich Rokokoformen verpflichtet, wird an den Wänden ein neuer Dekorationsstil manifest. Für Langhans selbst wurde dieser Raum zur Zäsur in seinem weiteren künstlerischen Schaffen.
Allerdings wurde die ursprüngliche Raumkomposition im Laufe der Zeit verändert. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entnahm man den zur Ausstattung gehörenden Fayence-Ofen für das Hohenzollernmuseum in Berlin. Wenig später wurde der heute noch existierende Neorokoko-Ofen aufgestellt. Vermutlich auch schon im 19. Jahrhundert gingen Randbereiche der bauzeitlichen Deckendekorationen durch eine Schwammsanierung verloren.
Vor allem aber wurde der Raum durch die nach 1945 einsetzende Nutzung des Schlosses als Sanatorium in Mitleidenschaft gezogen. Vier Konsoltische wurden bis auf wenige Fragmente zerstört. Die Spiegelrahmen über den Konsoltischen gingen verloren, die Spiegelglasflächen wurden zugeputzt und überstrichen. Das Originalparkett wurde in den 1960er Jahren durch ein modernes Tafelparkett ersetzt. Besonders die Nutzung des Muschelsaals als Speisesaal führte zwischen 1950 und 1990 zu erheblichen Schäden an den zweifarbig angelegten Stuckmarmorwänden durch Einstemmen eines Lautsprechers, die Verlegung von Heizungsrohren und mechanische Schäden in Höhe der Servierwagen.
Bis zur Ausstellung anlässlich des 200. Todestages des Prinzen Heinrich im Jahre 2002 konnten die auffälligsten Eingriffe kaschiert werden. Wichtig war die Restaurierung und Rekonstruktion der vier Konsoltische dank Spendenmitteln 1994. Die Tische zählen zu den ganz wenigen authentischen Zeugnissen der ursprünglichen reichen Ausstattung an Möbeln. Ergänzend dazu wurden die Putzflächen über den Konsoltischen wieder geöffnet und provisorisch verspiegelt. Im Zuge des Austauschs des Heizungssystems 1994/1995 erfolgte der Rückbau der großen Heizkörper an den Stuckmarmorwänden. Alle Fehlstellen im Bereich des Stuckmarmors wurden jedoch nur provisorisch mit Kalkputz und einer Farbfassung geschlossen.
Die WiederherstellungsmaßnahmenZiel des Restaurierungsprojekts war die weitgehende Wiederherstellung der ursprünglichen Raumgestaltung. Die bauzeitliche Farbigkeit an Decke und Türen wurde freigelegt und restauriert, der Bronzeanstrich entfernt, die darunter liegende, ursprüngliche Polimentvergoldung restauriert bzw. ergänzt. Zudem erfolgten die Konservierung und Ergänzung des äußerst fragilen Deckenstucks sowie die Reinigung und Ergänzung der Muscheln, Schnecken und Korallen. Wesentlich für den harmonischen Gesamteindruck war die Ergänzung und Restaurierung der Stuckmarmorwände.
In Fortsetzung der Restaurierung der Konsoltische konnte nun auch die Rekonstruktion der Spiegelrahmen verwirklicht werden. An den damals neuartigen Dekorationselementen mit den rechteckigen und ovalen Füllungen auf den Wandflächen mit ihren Puttenreliefs und mit Girlandenumrahmungen mussten umfangreiche Konservierungsarbeiten durchgeführt werden. Wie in den anderen Paraderäumen des Prinzen Heinrich wurde auch hier zum Abschluss der Raumrestaurierung das bauzeitliche Tafelparkett bis Februar 2017 rekonstruiert.
Kurz vor Beginn der Restaurierung wurden 2014 umfangreiche statische Ertüchtigungen der Decke zum Erdgeschoss durchgeführt, da hier während des Umbaus 1769 Eingriffe in die Deckenkonstruktion erfolgt waren. Die statische Sicherung der Raumdecke im Dachgeschoss ist bereits im Zuge der Dachinstandsetzung 2006 erfolgt.
Die Restaurierung des Treppenhauses im KlingenbergflügelDas Treppenhaus gehört zu den wenigen noch erhaltenen frühen friderizianischen Schlossräumen. Bis auf Veränderungen der Deckenmalerei blieb es unter Prinz Heinrich unverändert.
Die Wandanstriche und die Fußbodenüberdeckung mit PVC-Belag im Obergeschoss zeugten noch bis Anfang 2017 von der Zeit der Sanatoriumsnutzung des Schlosses. Bereits 1995 wurde beim Einbau einer Fußbodenheizung im Erdgeschoss der Estrichboden aus den 1950er Jahren durch ein Ziegelpflaster ersetzt. Restauratorische Voruntersuchungen und die Anlage einer Probeachse zur Freilegung des überstrichenen Stuckmarmors ließen 2016 den ästhetischen Gewinn für die gesamte Raumwirkung erahnen. Die Restaurierung begann noch im gleichen Jahr während der Ausstellung „Rheinsberg 25. Wiedererweckung eines Musenhofs“. Sie umfasste die Abnahme jüngerer Übermalungen der Kassettenmalerei an der Decke sowie die Freilegung der illusionistischen Malereien auf den Decken von Zwischenpodest und Erdgeschoss. Ein Schwerpunkt war die Freilegung und Ergänzung des Stuckmarmors an den Wänden, der im Erdgeschoss 1990 teilweise verloren gegangen war. Jüngere Farbschichten an Türen, Treppengeländer werden entfernt und im Befundfarbton neu gefasst. Der bauzeitliche Dielenfußboden im Obergeschoss wurde freigelegt und restauriert.
Das Ergebnis der Restaurierung erlaubt nun wieder den Blick zurück in die frühe Epoche des Schlosses als Kronprinzenresidenz. Darüber hinaus verdeutlicht dieser private Treppenraum den besonderen Wert Rheinsbergs für Friedrich. Und die Besucher können heute wieder nachvollziehen, warum der Maler und Grafiker Adolph von Menzel (1815-1905) dieses Treppenhaus während eines Studienaufenthalts 1860 als bemerkenswertes Motiv entdeckt hat.
Ausstellung „Muschelsaal im neuen Glanz – Eine Tafel für den Prinzen mit einem keramischen Tableau von Karl Fulle“Zum Abschluss der Restaurierung des Muschelsaals und des kronprinzlichen Treppenhauses zeigt die SPSG die Ausstellung „Muschelsaal im neuen Glanz – Eine Tafel für den Prinzen mit einem keramischen Tableau von Karl Fulle“. Die Arbeiten des in Rheinsberg ansässigen Keramik-Künstlers Karl Fulle finden sich im Muschelsaal zu einer Festtafel der anderen Art zusammen und erinnern so an die ursprüngliche Funktion des Raumes als Ort fürstlicher Bankette.
Mit den naturalistisch gestalteten Muscheln und Korallen werden im Muschelsaal die Grenzen zwischen Natur und Kunst überwunden. Kunst und Natur sind auch im hier präsentierten Œuvre Karl Fulles keine Gegensätze. Vielmehr ist es von den strukturierten Schalen und dem glänzend-glatten Innenleben von Muscheln oder von den Formen verschiedener Früchte inspiriert. Andere Werke sind von der Begeisterung des Künstlers für das 17. und 18. Jahrhundert geprägt. Sie greifen die Gestaltung von Tafelgeräten dieser Epoche auf, interpretieren die bewegten Formen des Rokoko neu und überführen die Stilllebenmalerei des Barock in dreidimensionale Objekte.
Karl Fulle wurde 1950 in Steinbach im Eichsfeld geboren. Nach einer Töpferlehre studierte er von 1971 bis 1977 an der Hochschule für industrielle Formgestaltung (seit 1989 Hochschule für Kunst und Design) Burg Giebichenstein in Halle, an die er später als Lehrbeauftragter und Gastprofessor zurückkehrte. Fulle arbeitet seit 1979 als freischaffender Künstler. 1993 verlegte er seine Werkstatt von Neuruppin nach Rheinsberg. Seine dynamisch bewegten, teilweise aufgerissenen oder in verschiedene Richtungen gedrehten, farbenprächtigen Gefäße, Objekte und Figuren sind heute deutschlandweit in allen wichtigen öffentlichen Sammlungen der angewandten Kunst vertreten. Wenn sie jedoch – wie in Rheinsberg – in Räumen des 18. Jahrhunderts auf ihre Inspirationsquellen treffen, entfalten Fulles Schöpfungen im Dialog mit ihrer Umgebung eine ganz eigene Aussagekraft.