60 Galerien aus 11 Ländern werden vom 25. – 28. April 2024 Kunstwerke von über 150 Künstler:innen präsentieren.Die Welt hat Ecken und Kanten, das ist vermutlich allen klar, doch so klar, wie diese mit Esther Hagenmaier werden, waren sie bisher wohl den wenigsten. Ihre Fotografien decken auf, wo sie sich verstecken: an Häuserwänden und Dächern, in Räumen und dort, wo das Licht nur teilweise hinkommt. Ausgeschnitten und somit aus ihrem Kontext gelöst wird die fotografierte Kante eigenständig, wird reine Form, Komposition, Fläche, Raum oder Körper. Eine friedlich anorganische Übereck-Utopie. Hagenmaiers Arbeiten strahlen eine Ruhe aus, eine Klarheit, die im Alltag zunehmend aus den Augen gerät. Sie motivieren dazu, kurz stehen zu bleiben und auch in der vermeintlichen Tristesse großstädtischer Baukomplexe eine feine Nische zu entdecken. Präsentiert werden Esther Hagenmaiers Arbeiten von der Smudajescheck Galerie, München.
Zarte Pflänzchen recken ihre hauchdünnen Wurzelarme erfolglos nach der Erde aus, sie hängen in der Luft, eingezäunt von breiten schwarzen Konturen, die ihren Lebensraum begrenzen wie ein asphaltierter Gehweg einen Vorgarten. Akkurat von Farbe eingezäunt, können Labkraut und Co. auf dem Papier von Farniyaz Zaker nur auf ihre gesundheitsfördernden Kräfte verweisen. In ihrer eingeschränkten collagierten Umgebung werden sie schon bald ihre Köpfe hängen lassen. Mit ihrer Serie “Dress Code for a Cul-de-Sac” verweist Farniyaz Zaker im Aufeinandertreffen von fragiler Pflanze und anorganischer Geometrie auf das Moment des Inklusiven und Exklusiven, darauf ein Teil von etwas zu sein, aber doch nicht wirklich. Sie feiert die Schönheit eines Gartens, der doch gleichzeitig immer seiner Charaktereigenschaft untertan bleibt, nur ein Ausschnitt der Natur zu sein. Im Stand der O Gallery aus Teheran blühen Gedanken über Be- und Ausgrenzung auf, die Entwurzelung wird fragiles Bildthema.
Gesprüht, gezogen, gerollt, gewischt – Thomas Trum konzentriert sich auf den Farbauftrag. Er entwickelt Maschinen, die Farbe auf unterschiedlichste Weise übertragen. Große sperrige Wägen sprühen in rotierender Bewegung eines Armes feinste Farbstrahlen auf die Wand und innerhalb weniger Minuten ist das Bild perfekt. Die Entstehung des Bildes wurde langer Hand geplant, die Maschine aufwendig konstruiert und mit Farbe gefüttert, die sie nur noch von sich geben muss. Ein spannendes Feld zwischen der Zartheit der Formen, Klarheit der Farbe und Mechanik entsteht. Das Werk verweist in seiner Gradlinigkeit immer auf seinen Entstehungsprozess, doch ist es anfangs schwer zu glauben, dass die zartesten Linien aus einem sperrigen Gerät kommen, das mehr an einen Gabelstapler erinnert als an einen Pinsel. Gegensätze ziehen sich an und Thomas Trum liefert die Beweise, nicht schwarz auf weiß, aber rot, grün, violett, gelb, blau auf weiß. Zu sehen im Stand der Galerie Conrads aus Berlin.
Enne Hähnle zeichnet, auch wenn sie skulptural arbeitet. Sie hat sich der Linie verschrieben, der Faser, Schlinge, dem Schriftzug, jeder Form und Textur, die die Linie annehmen kann. So wie ihre haarige Skulptur „besty beast beasty boy“ den Raum erobert, erobert die zottelige Linie der Serie „habenodersein“ ihr Blatt Papier. Die Tusche bäumt sich auf, entlang einer Spiegelachse wird das Wort „Doom“ zu „Mood“ – macht sich Untergangsstimmung breit? Wenn dann nur zaghaft. Die dunklen Momente in Enne Hähnles Arbeiten sind nicht pessimistisch, sie sind feine Andeutungen des Unheimlichen. Gezeigt werden ihre Zeichnungen von der Galerie Intershop aus Leipzig.
Das Auge sammelt Informationen und leitet sie an das Gehirn weiter. Innerhalb dieser Kooperation wird stets versucht zu erkennen, Analogien zu bereits Bekanntem zu finden und Bilder zu entschlüsseln. Tim Berresheims Werke fordern diesen Prozess heraus. Was in seinen Bildern zu sehen ist, ist für das Auge kaum zu klären. Sie geben Rätsel auf, verlangen ein taktiles Sehen und laden sich dann mit Inhalten auf, die sich jeglicher Logik entziehen. Bahnen verschiedener Texturen verschlingen und verknoten sich, erinnern an einen Wulst aus Haaren, ein Band aus Styropor, Knetmasse und ein Streifen kariertes Papier, das einen auf die Schulbank zurückkatapultiert. Surreale Objekte entstehen, wenn Tim Berresheim Fragmente am Computer generiert und zusammenfügt. In einem undefinierbaren Raum winden sich die Materialien, fließt flüssiges Metall und kringeln sich die Linien. Man kann sich in seinen Arbeiten verlieren, Gedankensträngen nachgehen, die ins Leere laufen und erfahren, wie befreiend es sein kann, etwas nicht gänzlich zu begreifen. Tim Berresheims Arbeiten werden von der Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff aus Stuttgart gezeigt.
Rozbeh Asmani konzentriert sich auf die Farben und Formen des Konsums. Marken und Produkte wie Lidl, Bounty, Zwieback oder BMW verlieren in seinen Händen ihre Schriften und Logos. Sie werden so drastisch reduziert, dass sie nur noch mit einem kleinen Finger auf den dahinter versteckten Großkonzern verweisen. Asmanis Arbeiten sind farbliche Marktriesen-Destillate, die selbst in dieser reduzierten Form noch zu entlarven sind, so sehr hat sich ihre Formensprache Verbraucher:innen auf die Netzhaut gebrannt. So wie die Financial Times den Fluss des Geldes sprachlich erfasst, so fängt Rozbeh Asmani ihre visuellen Marker ein. Er entlockt einer Wirtschaftszeitung feinste Bauhauszüge. Eine ästhetische Realitätsklatsche, nie war Lidl so schön. Zu sehen im Stand der Galerie Werner Klein aus Köln.