Die einzige Konstante der Mode ist ihr stetiger Wandel. Mode ist Ausdruck von Idealen der Schönheit und von Zeitgeist, expressives Spiel zwischen Zugehörigkeit und Distinktion, Kommunikation und Trend. Wo Individuum und Kollektiv imaginären Identitätsmodellen folgen, fungiert die Modefotografie gleichzeitig als vorwegnehmende und historisierende Welt des schönen Scheins mit großer Suggestivkraft: sie ist das Medium, das den Wechsel der Mode erzeugt und spiegelt. Mit der Ausstellung Vanity – Mode/Fotografie aus der Sammlung F.C. Gundlach widmet sich die Kunsthalle Wien im Rahmen des Fotografieschwerpunktes mit ca. 200 ausgewählten Werken aus der Sammlung F.C. Gundlach (Hamburg) dem Thema Fotografie und Mode. F. C. Gundlach, geboren 1926 in Heinebach/Hessen war selbst legendärer Modefotograf. Er produzierte unter anderem 180 Covers und 5.500 Seiten redaktionellen Modeteil für die Zeitschrift Brigitte und ist darüber hinaus als Galerist, Sammler, Kurator und Stifter aktiv. Für F.C. Gundlach ist die Modefotografie einer der wichtigsten Indikatoren gesellschaftlicher Verhältnisse: „Modefotografien sind immer Interpretationen und Inszenierungen. Sie reflektieren und visualisieren den Zeitgeist der Gegenwart und antizipieren denjenigen von morgen.“
Die Ausstellung Vanity zeigt Fotografien seit dem Ende der 1920er Jahre bis heute, die sich dem inszenierten Bild der Kleidermode und der Ästhetik der Modefotografie widmen: Von der klassischen Studiofotografie bei George Hoyningen Huene und Irving Penn bis zur dynamischen Silhouette im urbanen Kontext bei Richard Avedon und William Klein geht es um große Gesten und glamouröse Ideale. Neben berühmten Aufnahmen für Vogue und Harper’s Bazaar u.a. von Horst P. Horst Erwin Blumenfeld, die mit surrealen Arrangements und Oberflächenwirkungen spielen, sind Kostümbilder von Cecil Beton und F.C. Gundlachs Inszenierungen von Pop und Op Art Fashion zu sehen. Das Augenmerk der Ausstellung liegt davon ausgehend auf formalen Gestaltungsaspekten, die ins abstrakt Grafische (bei Imre von Santho), Malerische (bei Sarah Moon und Lillian Bassman) oder Skulpturale (bei George Hurrell und Regina Relang) tendieren. Immer wieder zeigt die modefotografische Visualisierung von Glamour, Eleganz und Weiblichkeit den Einfluss zeitgleicher Kunstströmungen und tradierter Bildformeln am Schnittpunkt zwischen Kleiderindustrie, Konsumismus und Gestaltungswille.
Stellt die Modefotografie bis in die 1960er Jahre das Kleid in den Mittelpunkt, so antworten ab den 1970er Jahren Fotografen wie Guy Bourdin und Helmut Newton mit konzeptuellen Strategien der Mystifikation und der distanzierten Ironie und Fotografinnen wie Deborah Turbeville und Sybille Bergemann mit Frauenbildern abseits herkömmlicher Fashionistas. Die jüngsten Arbeiten in der Ausstellung nehmen wieder spielerischen Bezug auf die Objekthaftigkeit eines bei Armin Morbach jedoch untragbar gewordenen Kleides aus Stofftieren oder sie lassen bei Kristian Schuller die aufwändige Darstellung ephemerer Garderobe als manieriert postmodernes Zitat wirken. Fünf künstlerische Positionen tragen dem Credo der Sammlung F.C. Gundlach von der Intertextualität der Fotografie Rechung und konterkarieren subtil die Ausdrucksformen der Fashionindustrie, darunter Wols mit dramatischen Aufnahmen von Kleiderpuppen auf der Weltausstellung in Paris 1937, Leon Levinstein mit Street Photography entstanden zwischen 1955 und 1975 in New York und San Francisco und Edgar Leciejewski mit einer Serie von Menschenbildern, die Google Streetview entnommen sind und Stellung nehmen zu Individualität und Öffentlichkeit in Zeiten von Internet und Social Network. Die ausgewählten Fotografien zeichnen die Verlagerung eines kulturellen Interesses nach: vom Produkt zur Marke, zum Image, zum Event, wo es nicht mehr um das eigentliche Objekt geht, sondern das am Spektakel orientierte Erleben. Die ökonomische und soziale Bedeutung von Zeitschriften und Magazinen, den Kommunikationsmedien der Mode des 20. Jahrhunderts schlechthin, scheint angesichts von Fashionblogs und Livestreams internationaler Modenschauen im Verschwinden begriffen. Als Gegensatz zum bewegten oder interaktiven Bild positioniert sich die musealisierte Fotografie als Medium der Erinnerung, das den Mythos Mode kreiert hat.
Mit Arbeiten von Richard Avedon, Lillian Bassman, Cecil Beaton, Sibylle Bergemann, Erwin Blumenfeld, Guy Bourdin, Louise Dahl Wolfe, Hubs Flöter, Ralph Gibson, F.C. Gundlach, Horst P. Horst, George Hoyningen Huene, George Hurrell, William Klein, Nick Knight, David LaChapelle, Edgar Leciejewski, Zoe Leonard, Leon Levinstein, Peter Lindbergh, Gjon Mili, Sarah Moon, Armin Morbach, Helmut Newton, Irving Penn, Regina Relang, Kristian Schuller, Melvin Sokolsky, Deborah Turbeville, Yva, Imre von Santho, Wols
Kuratoren: Synne Genzmer, F.C. Gundlach
Katalog: Vanity. Mode/Fotografie aus der Sammlung F.C. Gundlach. Hg. Kunsthalle Wien, Stiftung F.C. Gundlach. Mit Texten von Isabelle Azoulay, Synne Genzmer und Frédéric Monneyron und einem Interview mit F.C. Gundlach, Deutsch/Englisch, ca. 240 Seiten, ca. 200 Abbildungen; Verlag für moderne Kunst Nürnberg