Die Frühjahrsausstellung im Hofmobiliendepot führt zurück in die 1960er Jahre, ein Jahrzehnt beispiellosen Wandels. Sie beleuchtet anhand ausgewählter Designstücke die sozialen, kulturellen, politischen und ästhetischen Umbrüche vom Ende der 1950er Jahre bis zur Erdölkrise 1973 und zeichnet ein Bild einer Ära, die der grauen Nachkriegszeit ein Ende setzte.Der Fokus der Schau liegt beim Möbeldesign. Ergänzend vermitteln Mode, Fernseher, Radios und andere Alltagsgegenstände das typische Lebensgefühl dieser Jahre.
„Alles ist erlaubt“, so lautete auch im Design das neue Motto. Utopien von alternativen Lebensstilen gingen mit einer Neuorientierung in den Wertvorstellungen einher. Die neuen Entwürfe für Mode und Einrichtungsgegenstände spiegelten den rasanten Perspektivenwechsel einer jungen und experimentierfreudigen Generation wider, die sich einer bis dahin unbekannten visuellen und emotionalen Sinnlichkeit hingab und mit großer Begeisterung neue Materialien, grelle Farben und phantasievolle Formen genauso erprobte wie alternative Lebensformen, Drogen und Pop-Musik.
Die Ausstellung ist der Versuch, diese „Messy Vitality“ (Robert Venturi) des Sixties Designs klar zu strukturieren und die einzelnen Positionen zu beleuchten.
Von der Konsumrevolution zur Protestkultur
Die Ausstellung stellt zwei kulturelle Umbrüche, die die 1960er Jahren entscheidend prägten, in den Mittelpunkt. Am Beginn des Jahrzehnts stand eine von der Jugend getragene „Consumer Revolution“. Vollbeschäftigung und steigende Einkommen begünstigten das Aufkommen eines neuen Typs von Konsumenten – des Teenagers. Dessen neugewonnene Unabhängigkeit verlangte nach eigenen Ausdrucksmöglichkeiten. Die neuen Kunststoffe ermöglichten die Herstellung günstiger Produkte für den Massenmarkt. Sie beschleunigten den Wechsel von Moden und Produkten und führten so zu einem veritablen Designboom. Aufblasbare Möbel aus PVC fingen die Lust der jungen Generation an Unbeständigkeit und Unbeschwertheit ein. Noch war der Glaube an die neuen Kunststoffe und Technologien ungebrochen und fand im „Space Age Look“ seinen Ausdruck. Die Frage, wie man in Zukunft leben wollte, brachte futuristische Entwürfe hervor und manifestierte sich in einem die erste Hälfte der 1960er Jahre bestimmenden geometrischen Formenvokabular. Die neuen Fixsterne im Design waren Italien und England.
Ab Mitte der 1960er Jahre setzte ein Stimmungsumschwung ein. Eine Protestgeneration aus Jugend und Studenten machte in ihrer „Gegenrevolution“ gegen ungerechte und veraltete Machtsysteme und Zwänge mobil. Der Kalte Krieg mit seinen waffenstarrenden Machtblöcken verstärkte die Ängste vor einer Atomkatastrophe. Der unverhohlene Materialismus der Konsumkultur wurde zunehmend kritisch gesehen. Vietnam-Krieg, Prager Frühling und die Pariser Studentenunruhen ließen das Design nicht unberührt. Zum einen fand eine Rückbesinnung auf vergangene, bewährte Stile (z. B. Jugendstil, Art Deco) und Kunsthandwerk statt, die ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelten. Von der amerikanischen Westküste kommend fand zum anderen die psychedelische Kunst, angetrieben von Drogen, östlichen Religionen und Hippie-Lifestyle ihren Niederschlag in Design und Mode. Die geometrischen Formen wurden abgelöst von einem neuen, neo-organischen Stil. Das Konzept der Moderne mit seinem Fortschrittsglauben wurde hinterfragt, die Rolle des Designs in den kapitalistischen Gesellschaften in Frage gestellt. In Italien entstand das radikale „Antidesign“, das ironisch und zeichenhaft auf die neue Situation reagierte.
Ende der 1960er begann die aufkommende Umweltschutzbewegung in den USA die rücksichtslose Industrialisierung und die mangelnde Nachhaltigkeit des westlichen Lebensstils anzuzweifeln. 1972 veröffentliche der Club of Rome seinen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“, der ein enormes Echo hervorrief. Die deutlichste Zäsur war die Erdölkrise von 1973, die das Ende des Plastikzeitalters besiegelte und eine Neubewertung des Werkstoffs in den Folgejahren einläutete.
Die Ausstellung ist in zehn Stationen unterteilt: Ein Blick zurück: Die Formensprache der 1950er Jahre / Die Geometrie der frühen 1960er Jahre / Kugelfieber / Space Age Design / Mode / Werkstoff Plastik / Pop Furniture / Antidesign / Neo-organisches Design / Das Ende des Booms.
Zu den wichtigsten Designern, die in der Ausstellung repräsentiert sind, zählen Arne Jacobsen, Eero Saarinen, Johannes Spalt, Joe Colombo, Hans Hollein, Verner Panton, Vico Magistretti, Walter Pichler, Paco Rabanne, André Courrèges, Helmut Bätzner, Gaetano Pesce, Achille & Pier Giacomo & Livio Castiglioni, Ettore Sottsass, Archizoom, Gruppo Strum, Olivier Mourgue, Günter Beltzig und Yves Saint Laurent.
Titel: Sixties Design Kuratierung: Mag. Markus Laumann
Ausstellungsdesign: SPURWIEN Architects
Wissenschaftliche Leitung Hofmobiliendepot: MR Dr. Ilsebill Barta
Dauer: 29. Februar – 17. Juni 2012 täglich außer Mo 10.00 – 18.00 Uhr