Das Thema „Schuhe“ eröffnet einen ganzen Kosmos von Geschichten, individuellen Erfahrungen und Vorurteilen. Schuhe stehen für Leidenschaft und die Suche nach Vollkommenheit. Sie repräsentieren triviale Bedürfnisse, sind aber gleichzeitig attraktives Medium für eine künstlerische und wissenschaftliche Auseinandersetzung. Schuhe nicht nur als beiläufiges Modeprojekt zu betrachten, sondern als Designgegenstand mit autonomer Aussage, ist daher Gegenstand dieser Ausstellung.Der Schwerpunkt liegt auf experimentellen Schuhkreationen von Designern, Architekten und Künstlern. Ein Großteil davon sind Unikate oder in Kleinserien hergestellte Schuhe. Oft sind sie als eigenständige Kleinskulpturen, konzeptionelles Statement oder als Provokation gegen den Mainstream angelegt. Jedes dieser Schuh-Werke zeichnet sich durch außergewöhnliche Formgebung, exklusive Materialien und einen „emotionalen Mehrwert“ aus – oft zu Lasten der tatsächlichen Tragbarkeit. Angesichts der erstaunlichen Kreativität und Vielfalt an künstlerischen Ideen ist das Kriterium der Funktionalität zweitrangig.
Woher rührt dieser Mut zum außergewöhnlichen Schuh? Eine nicht unwesentliche Rolle spielt hier gewiss die Design-Avantgarde der Modeszene, in der Kunst und Mode schon seit Langem ein Paar sind. Beide Seiten nützen die jeweils anderen Mechanismen. Modeschöpfer setzen auf limitierte Auflagen und direkte Kooperationen mit Künstlern oder bedienen sich ungeniert aus dem großen Fundus der Kunstgeschichte.
Wenn Künstler dagegen den Schuh in den Fokus ihres Schaffens rücken, verblüffen sie mit autonomen künstlerischen Aussagen. Schuhe aus Glas, Keramik und Porzellan oder als Teil einer Installation stehen ganz in der Tradition der freien Plastik und damit außerhalb der Gesetze des Modemarktes. Künstler schlüpfen gern in die Rolle des Beobachters. Mit konzeptionellen Arbeiten zielen sie auf das komplexe Verhältnis zwischen Gesellschaft und Individuum ab und thematisieren die Facetten des modernen Konsumverhaltens. Eine Schnittstelle, an der auch das Soziodesign ansetzt, das eine Erweiterung im Sinne von Gestaltung von Lebensformen und Werterhaltung darstellt.
Eine weitere Quelle der Kreativität bieten neue Technologien und Materialien, sie ermöglichen eine nie zuvor gekannte Bandbreite an Formen, Strukturen und Oberflächen. Zum Einsatz kommen computergestützte Verfahren, die allein oder in Kombination mit traditionellen Techniken das Aussehen der Schuhe allmählich verändern. Materialien in neuer Optik und Haptik verleihen diesen Schuhen einen Hauch von Zukunftsvision.
Die Kapitel der Ausstellung sind Spiegelbild heutiger Designstandpunkte und zeigen die seit Längerem schon zu beobachtende Auflösung der Grenzen zwischen Design, Handwerk und Kunst. Das Spektrum ist daher entsprechend groß: vom architektonisch anmutenden Schuh über die Kleinskulptur bis hin zur kritischen Auseinandersetzung mit ethisch-moralischen Aspekten von Design und Gesellschaft. Vom Materialexperiment bis zum Fetischobjekt – keine Frage des aktuellen Diskurses, auf die nicht auch ein Schuh-Werk die passende Antwort hätte.
Eine Ausstellung des KUNST HAUS WIEN in Kooperation mit dem GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig. Idee und Konzept: Sabine Epple. Recherche und Mitarbeit: Liza Snook, www.VirtualShoeMuseum.com. Kuratorische Umsetzung im KUNST HAUS WIEN: Brigitte Woischnik.