Zweimal jährlich werden im Rahmen der 2007 initiierten Ausstellungsreihe Intervention Künstler eingeladen, ihre Arbeit in Bezug zur Architektur, zur Geschichte und zur Sammlung des Belvedere zu setzen. Nach Gudrun Kampl, Brigitte Kowanz, Franz Kapfer, Christian Hutzinger, Werner Reiterer, Karen Kilimnik und Tillman Kaiser zeigt nun Marianna Gartner ihre Arbeiten in mehreren Sammlungsbereichen des Oberen Belvedere. Der Balanceakt zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist fester Bestandteil des Werks von Marianna Gartner (*1963). Anregungen und konzeptuellen Hintergrund für Ihre figurative Malerei findet die kanadische Künstlerin in Porträtaufnahmen aus der Frühzeit der Fotografie. Der Dialog zwischen Malerei und Fotografie ist in Gartners Arbeit stets präsent. Der Zitatcharakter wird durch die statische Positionierung der Figuren und deren meist farblose Erscheinung, mit der die Künstlerin auf die Schwarzweißfotografie als Quelle verweist, betont. Die Figuren erscheinen dadurch wie Fremdkörper in den Bildräumen und setzen sich manchmal deutlich, manchmal subtil vom farbigen Hintergrund ab. Gleichzeitig kombiniert die Künstlerin Gesichter, Kleidung und Haltung aus verschiedenen Vorlagen oder setzt wie etwa in der Arbeit Oh, Deer einen Tierkopf auf einen menschlichen Körper. Gartner begreift das Bild als zweidimensionale Oberfläche, wie in einem Papiertheater erscheinen die Figuren, Accessoires und Kulissen.
Für ihre Intervention im Belvedere hat Gartner Gemälde vom späten 15. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert aus der Sammlung des Belvedere ausgesucht und Pendants geschaffen, in denen sie einzelne Aspekte der „Vor-Bilder“ in ihre eigene Bildsprache übersetzte. Die großteils neuen Arbeiten Gartners werden innerhalb der Schausammlung im Oberen Belvedere neben ihren Referenzbildern präsentiert. Die Anspielungen rangieren von direkten Bezugnahmen auf Figuren aus den Referenzwerken bis hin zu subtilen Verweisen in Haltung oder Gesichtsausdruck. Gartner transferiert das historische Gemälde in ihre eigene, nicht selten traumartig wirkende Bildwelt und interpretiert stilistische und inhaltliche Parameter auf individuelle Art und Weise neu.
Mit dem Titel An Eye For An Eye (Auge um Auge) bezieht sich die Künstlerin auf ein Zitat aus dem Alten Testament, wobei die Betonung auf der „Angemessenheit“ der Strafe liegt. Die Idee der „Entsprechung“ bildet auch die Grundlage für die Werke, die Gartner für die Intervention entwickelt hat. Ihre Bilder sind Antworten von heute auf Werke von gestern. In der Zusammenschau von Ausgangspunkt und Resultat liegt die Herausforderung: Die eigentliche Intervention findet im Auge des Betrachters statt.
WERKLISTE Erdgeschoß
Michael Pacher, Geißelung Christi, vor 1497/1498, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Tattooed Jesus, 2004, Olbricht Collection
1. Obergeschoß Ignaz Heinitz von Heinzenthal, Hyäne, Antilope und Kasuar in Kakteenlandschaft, 1723, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Oh, Deer, 2009, Privatsammlung Oppenheim Ignaz Heinitz von Heinzenthal, Ein Straußenpaar, im Hintergrund ein Sarkophag, 1723, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Little Birds, 2011, Galerie Michael Haas, Berlin Elena Luksch-Makowsky, Adolescentia, 1903, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Europa, 2011, Galerie Michael Haas, Berlin Franz von Stuck, Verirrt, 1891, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Sleeping Satyr, 2011, Galerie Michael Haas, Berlin Richard Gerstl, Die Schwestern Karoline und Pauline Fey, 1905, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Zwei Brüder, 2010, Galerie Michael Haas, Berlin
2. Obergeschoß
Franz Eybl, Der Maler Franz Wipplinger, das Miniaturporträt seiner verstorbenen Schwester betrachtend, 1833, Belvedere, Wien Marianna Gartner, For Love of Lady Little, 2008, Privatsammlung Ferdinand Georg Waldmüller, Der fürstlich Esterházysche Rat Mathias Kerzmann mit seiner zweiten Gattin, geb. Gräfin Majlath, und seiner Tochter Maria, 1835, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Leopard Family, 1994 Johann Knapp, Huldigung an Jacquin, 1811-1822, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Dining Room Painting, 2010, Galerie Michael Haas, Berlin August von Pettenkofen, Franz Imrédy, Edler von Omorovicze, 1848, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Portrait of István Kertesz, 2010, Galerie Michael Haas, Berlin Camille Corot, Madame Legois, um 1840/1845, Belvedere, Wien Marianna Gartner, I Wear My Fur Inside Out, 2011, Galerie Michael Haas, Berlin Ferdinand Georg Waldmüller, Julia Comtesse Apraxin, 1835, Belvedere, Wien Marianna Gartner, Dog Walker, 2011, Galerie Michael Haas, Berlin
BIOGRAFIE
MARIANNA GARTNER
1963 geboren in Winnipeg, Kanada Bachelor of Fine Arts, Painting & Photography, University of Calgary, Kanada Lebt und arbeitet in Vancouver und Berlin
EINZELAUSSTELLUNGEN
2010 Natural Selection, Galerie Haas AG, Zürich Movers & Shakers,
2009 Movers & Shakers, Galerie Haas & Fuchs, New York
2007 Movers & Shakers, Galerie Haas & Fuchs, New York Marianna Gartner, Galerie Michael Haas, Galerie Haas & Fuchs, Berlin
2006 Works on Paper, 20.21 Galerie, Essen
2004 Play Dead, 20.21 Galerie, Essen The Bad Season, Karton Gallery, B
2003 The Bad Season, Karton Gallery, Budapest
2002 Night Lights, Sable-Castelli Gallery, Toronto
2001 Portraits desobligeants, Canadian Cultural Centre, Paris ; Stepping Out, Sable-Castelli Gallery, Toronto
1999 Gallery, Toronto Balancing Acts, Sable-Castelli Gallery, Toronto
1996 Balancing Acts, Sable-Castelli Gallery, Toronto The Glad Season, University of Winnipeg; Bugs, Babies, & Bones, Bau-Xi
1994 Myths & Images, Bau-Xi Gallery, Vancouver
1993 Rituals, Muttart Art Gallery, Calgary
1992 Strange Obsessions, Bau-Xi Gallery, Vancouver
1991 Strange Obsessions, Bau-Xi Gallery, Vancouver The Joy of Living, Barton Leier Gallery, Victoria; Reclaimed Images, Virginia Christopher Galleries, Calgary