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Mit mehr als sechzig Jahren Abstand scheint ein neuer Blick auf die skulpturalen und bildnerischen Eigenschaften der Kunst der 1950er-Jahre möglich, zeigen doch nicht nur die Beispiele aus der Sammlung des Sprengel Museum Hannover die Qualität der Werke dieser Zeit. Die Autonomie der Kunst als idealistisches Moment kommt in der Formensprache zum Ausdruck. In ihrer Entwicklung zeichnet sich ein neuer, intensiv diskutierter ethischer Anspruch der Künstlerinnen und Künstler ab.
Auch wenn sich die Situation der deutschen Kunst als ein abrupter Bruch darstellt und die britische Situation mit der zentralen Figur Henry Moore eine andere Kontinuität besitzt, sind die künstlerischen Fragestellungen in beiden Ländern vergleichbar.
Die Suche nach neuen Formen aus einer Ursprünglichkeit und Einfachheit einerseits und eine verdichtete Formensprache andererseits gibt den Werken dieser Zeit eine Ausstrahlung der Konzentration und Fokussierung. Bei Moore und Barbara Hepworth wie auch bei Bernhard Heiliger und Karl Hartung fügen sich organische Formen und glatte Materialien wie Holz und Bronze zu einem klaren Abschluss nach Außen. Sie verleihen der Figur eine neue Identität.In der Weiterentwicklung dieser Tendenzen in der zweiten Hälfte der Dekade zeigen die Verhältnisse von Figur zu Raum bei Künstlern wie Lynn Chadwick, Norbert Kricke oder Eduardo Paolozzi, dass sich die menschliche Figur neu verortet. Ihre Werke beschreiben Bewegung in einem Raum, der als Existenzraum aufgefasst wird und der auf die nächste Generation von Künstlern wie Francis Bacon oder Joseph Beuys und ihre Themen vorausweist.
In der Auseinandersetzung von Abstraktion und Figuration, wie sie zum Beispiel bei den legendären Darmstädter Gesprächen von 1950 unter dem Titel „Das Menschenbild in unserer Zeit“ geführt wurde, verfolgen die Künstlerinnen und Künstler häufig einen dritten Weg, der beide Strömungen zu verbinden sucht. In der Abstraktion wird die Figur nicht aufgegeben und bleibt gewissermaßen letzter Garant einer humanen Weltsicht. Die Bildhauerei, auf deren Werke die Ausstellung einen Schwerpunkt setzt, wird im Kalten Krieg oft auch ideologisch vereinnahmt und repräsentiert das allgemein Menschliche in seiner spezifischen Form. Das Medium der Skulptur scheint, wie unter anderem die Großaufträge für Kunst im öffentlichen Raum an Henry Moore und Barbara Hepworth zeigen, insbesondere in Großbritannien der Gegenstand einer demokratischen und humanistischen Geste zu sein.
Die Ausstellung thematisiert in diesem Zusammenhang den 1952 vom Institute of Contemporary Art (ICA) in London international ausgeschriebenen Wettbewerb für das Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen. Exemplarisch wird an dem Siegermodell von Reg Butler sowie an den eingereichten Modellen von Bernhard Heiliger und Hans Uhlmann die Diskussion um den Entwurf und der Versuch, einer humanitären Frage Form zu geben, anschaulich. Butlers Entwurf, für dessen Realisierung auf der Humboldthöhe in Berlin sich namhafte Kritiker wie Will Grohmann oder Herbert Read einsetzten, wurde in der Presse stark angefeindet und sogar durch ein Attentat eines ungarischen Künstlers in der Ausstellung in der Tate Gallery in London beschädigt. Vor allem das technoide Aussehen der Skulptur mit dem antennenähnlichen Aufbau wurde als dem Thema nicht angemessen empfunden. Schließlich scheiterte die Umsetzung in Westdeutschland an finanziellen Fragen und auch ein weiterer Versuch, die Außenskulptur in den Niederlanden aufzustellen. Aus heutiger Sicht scheint Butlers Entwurf gegenüber den anderen Modellen von Heiliger und Uhlmann progressiver in seiner Auseinandersetzung von Technik und Mensch, die dann in den 1960er-Jahren intensiviert werden sollte. Zugleich ist die Abstraktion bei den beiden deutschen Entwürfen auch der Tatsache geschuldet, dass die Ausschreibung zunächst ohne Angabe eines möglichen Standorts erfolgte. So folgten die Künstler eher einer abstrakten Idee des Gefangenseins und eines möglichen Aufbruchs.
War der Austausch zwischen Großbritannien und Westdeutschland nach 1945 vorbelastet und zunächst zögerlich, sorgten internationale Austauschprogramme und Großausstellungen zunehmend für die gegenseitige Anerkennung und Wahrnehmung. Vor allem die britischen Künstler waren international präsent. Die documenta I und II (1954 und 1959) und die britischen Pavillons auf der Biennale von Venedig, aber auch Initiativen vor Ort wie die Kestner-Gesellschaft in Hannover informierten Museumsleute und Sammler wie Bernhard Sprengel über die neuesten Strömungen, die diese in die Museen trugen – hier kann Henry Moore als zentrales Beispiel gesehen werden. Während Deutschland in Venedig noch die Klassische Moderne und vor allem die vormals verfemten Künstler des Expressionismus präsentierte, zeigten die Briten dezidiert seit 1948 ihre Gegenwartskünstler: Bereits in der ersten Nachkriegsbiennale wurde Henry Moore gemeinsam mit William Turner ausgestellt. Margrit und Bernhard Sprengel, deren Sammlung vor allem durch die Meisterwerke der Klassischen Moderne bekannt ist, haben in der Nachkriegszeit auch in großen Teilen Gegenwartskunst gesammelt. Dieser weniger bekannte Bestand der Sammlung Sprengel ist, wie die Ausstellung zeigt, nicht weniger interessant. Mit den frühen Ankäufen von Moore, Armitage und Chadwick spiegelt die Sammlung auch ein Zeitbild der 1950er-Jahre. In der privaten Umgebung der Sprengels gehörten zum Beispiel die Maquetten von Henry Moore genauso dazu wie die Außenskulpturen von Chadwick und Armitage im Garten. Schließlich war es Bernhard Sprengel, der auf der zweiten documenta das „Upright Motive No.1 (Glenkiln Cross)“ erwarb, es der Stadt Hannover schenkte, in der es 1960 im Maschpark hinter dem Neuen Rathaus im Beisein des Künstlers aufgestellt wurde.
Die Ausstellung „Die frühen Jahre: Britische und deutsche Kunst nach 1945“ gründet so auf einem großen und qualitätvollen Konvolut von Werken aus der Sammlung Sprengel, das durch die Sammlungen von Stadt und Land sowie durch internationale Leihgaben aus Großbritannien, Dänemark und der Schweiz ergänzt wird.
Die Ausstellung umfasst ca. 130 Werke von Kenneth Armitage, Francis Bacon, Willi Baumeister, Joseph Beuys, Reg Butler, Lynn Chadwick, Emil Cimiotti, Karl Fred Dahmen, Edgar Ende, Karl Otto Götz, Otto Herbert Hajek, Hans Hartung, Karl Hartung, Bernhard Heiliger, Werner Heldt, Barbara Hepworth, Norbert Kricke, Kurt Lehmann, Alfred Lörcher, Gustav Metzger, Henry Moore, Ernst Wilhelm Nay, Ben Nicholson, Richard Oelze, Eduardo Paolozzi, Emy Roeder, Bernard Schultze, Emil Schumacher, Hans Uhlmann, Fritz Winter, Wols.
Schultze, Emil Schumacher, Hans Uhlmann, Fritz Winter, Wols. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (128 Seiten) im Snoeck Verlag in Deutsch und Englisch mit Texten von John-Paul Stonard, Arie Hartog und Carina Plath.
ÖffnungszeitenMontag geschlossenDienstag 10 - 20 UhrMittwoch bis Sonntag 10 - 18 Uhr
BibliothekDienstag: 14 - 20 UhrMittwoch bis Samstag: 14 - 18 UhrSonntag, Montag und an Feiertagen geschlossen
FeiertagsregelungenKarfreitag geschlossenOstersonntag und –montag 10 - 18 Uhr1. Mai geschlossenHimmelfahrt 10 - 18 UhrPfingstsonntag und –montag 10 - 18 Uhr3. Oktober 10 - 18 UhrHeiligabend, 1. Weihnachtstag und Silvester geschlossen2. Weihnachtstag 10 - 18 UhrNeujahr 13 - 18 Uhr (freier Eintritt)
Sammlung des Museums und Sonderausstellungen:7 Euro, ermäßigt 4 EuroFreitags freier Eintritt
Ermäßigter Eintritt:Schüler ab 13 Jahre, Auszubildende und Studierende, Wehr-/ersatzdienstleistende, Arbeitslose und Senioren ab 65 Jahren
Gruppen ab 10 Personen:5 Euro, ermäßigt 3,50 Euro
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