Afrikanische Theaterfiguren in einer künstlerischen Installation von Pélagie Gbaguidi und Stefanie OberhoffAsyl Stadtmuseum erzählt von der imaginären Reise zweier Künstlerinnen in Gesellschaft von fünfzig traditionellen afrikanischen Puppen und Masken, denen sie im Depot der Sammlung Puppentheater begegnet sind. Die Wiederherstellung des Erschreckens in der ersten Begegnung mit diesen Figuren in ihren Schutzverpackungen und der davon ausgehende Einfluss auf die Phantasie stellen die treibenden Kräfte dieser Ausstellung dar.
Gbaguidi und Oberhoff interessieren sich nicht für ethnografische Deutungsmuster und verspüren daher auch nicht den Drang, sich Stück für Stück mit wissenschaftlichen Zuschreibungen zur Identität dieser Objekte zu befassen. Ihrer Arbeit mit den Figuren liegt ein historisch geprägter Kontext zugrunde, der verbunden ist mit Rassismus, Religion und Politik.
Asyl Stadtmuseum mischt die Erzählung der Kolonialgeschichte, das kollektive Erbe, mit autobiografischen Elementen, dokumentarischem und metaphorischem Erzählen. Indem das Risiko eingegangen wird, die Objekte nicht „zur Schau“ zu stellen, wird die Wiederentdeckung der Wahrnehmung rekonstruiert, die sich über sie gelegt hat. Die Künstlerinnen folgen den Spuren der Kolonialgeschichte, der Ausbeutung und Erzwingung unfreiwillig gewährter, geraubter Gaben. Was offenbaren diese Objekte in ihrem gegenwärtigen Zustand? Dass die Zeit der Verständigung endlich gekommen ist? Dass das Aufkommen eines ent-kolonialisierten Blickes möglich ist? Werden sie aber dem Schicksal entkommen? Wiederholt sich die Geschichte als Tautologie?
Die Figuren fordern eine fortwährende Hinterfragung der herkömmlichen Betrachtungsweisen heraus. Ihnen gegenüber ist Bescheidenheit im Hinblick auf das Ausmaß der Aufgabe angemessen: der Entwicklung einer neuen Sehweise.
Der Gang durch die Ausstellung erlaubt ein Umherschweifen auf vier gestalteten Ebenen: Am Anfang der Reise („Voyage Initiatique“) wird das Zusammentreffen mit den Objekten und der Beginn des kreativen Prozesses rekapituliert. In „Curators Curiosity“ kommentieren die Künstlerinnen die Ausstellungskonventionen und die vermeintliche Deutungshoheit ethnografischer Museen. Daten und Fakten der imaginären Reise durch europäische Städte und nach Afrika werden überhöht und eigenwillig interpretiert. In „Le Cercle“ begegnet den Besuchern eine Allegorie auf das Trauma des gemeinsamen historischen Erbes: Eine Befragung des „Wir“, des Bewusstseins, wird vorgenommen. Um den Kreis herum besetzen materielle Repräsentanten des kollektiv Unbewussten ein Territorium, auf dem die Figuren und Masken sich niedergelassen haben. Sie haben den Ort des „Asyls“ gewählt, das Refugium im buchstäblichen Sinn.
Der gedankliche Umkreis der Ausstellung offenbart die Übergangssituation, in der sich diese Objekte befinden. Das „Asyl“ veranschaulicht den Ort der Diagnose und der Diskussion über eine von seinen postkolonialen Avataren befreite Zukunft.