(c) Chloe Sherman (c) Chloe Sherman - Mit freundlicher Genehmigung von: photobastei.ch

Wann: 15.05.2025 - 15.06.2025

Queeres Leben im Fokus – Vier Ausstellungen in der Photobastei Zürich zeigen Mut, Vielfalt und Verletzlichkeit

Vom 15. Mai bis 15. Juni 2025 wird die Photobastei Zürich zum Zentrum eines besonderen künstlerischen Diskurses: Gleich vier Ausstellungen widmen sich dem queeren Leben in all seiner Komplexität, seinem Mut, seiner Verletzlichkeit und seinem kulturellen Reichtum. Im Zentrum steht die Hauptausstellung „RENEGADES. San Francisco: Queer Life in the 1990s“ der US-amerikanischen Fotografin Chloe Sherman, begleitet von drei tiefgreifenden Arbeiten des Künstlers Tom Vincent Legrand.

In den 1990er Jahren galt San Francisco als Welthauptstadt des queeren Lebens. Junge Künstler*innen, Freigeister und queere Menschen fanden dort einen Freiraum, um mit Identität, Geschlecht und Ausdruck zu experimentieren. „Eine stilprägende Subkultur entstand: Erschwingliche Mieten ebneten den Weg für Bars, Clubs, Tattoo-Läden, Kunstgalerien, Cafés, Buchläden und von Frauen geführte Unternehmen.“ Inmitten dieser Aufbruchsstimmung hielt Chloe Sherman mit ihrer Kamera das Leben von Femmes, Butches, Punks und Studs fest.

Sherman kam 1991 nach San Francisco, um am San Francisco Art Institute Fine Art-Fotografie zu studieren. Inspiriert von Del LaGrace Volcanos Porträts der Londoner Lesbenszene, entwickelte sie den dokumentarischen, aber zutiefst persönlichen Stil, mit dem sie als Insiderin ihre Community fotografierte.

„Mit dem differenzierten Blick einer Insiderin dokumentierte sie eine sich entwickelnde Gemeinschaft, die sich entschlossen gegen die vorherrschenden kulturellen Normen auflehnte und ihre ganz eigenen Regeln für den Umgang mit gängigen Geschlechterzuschreibungen und dem gesellschaftlichen Zusammenleben entwickelte.“

30 Jahre lang schlummerten die Negative in einem Schrank. Jetzt werden sie erstmals außerhalb der USA gezeigt. Die Ausstellung wurde kuratiert von Nadine Barth (@barthouseprojects) und Katharina Mouratidi, Künstlerische Leiterin des f3 – freiraum für fotografie.

Begleitend dazu untersucht Tom Vincent Legrand in drei Ausstellungen zentrale Themen queerer und männlicher Identität.

„Intimate Landscapes, a Phallic Deconstruction“ beleuchtet ein gesellschaftliches Tabu: „sexualisierte Gewalt unter Männern“. Legrand hinterfragt darin gängige Vorstellungen von Macht und Männlichkeit: „Er dekonstruiert ausgehend von Theorien der Intersektionalität den Penis als Machtsymbol.“ Die Arbeiten spielen bewusst mit Symbolik und Makrofotografie, sie transformieren Hautstrukturen in surreale Landschaften und lenken den Blick auf die fragile Seite von Körperlichkeit.

„Dieser Gegensatz macht die Brüchigkeit von Identitätsvorstellungen sichtbar und verdeutlicht, wie Gefühle von Schwäche unmittelbar in Gewalt umschlagen können.“ Gewalt wird nicht monolithisch dargestellt, sondern in ihrer inneren Widersprüchlichkeit: „Menschen aus marginalisierten Gruppen können ebenfalls zu Tätern werden; verletzliche Geschlechtsidentitäten schützen nicht vor Gewaltausübung.“

In „Echoes of Him“ geht Tom Vincent Legrand der Frage nach, wie Männlichkeit jenseits hegemonialer Normen gelebt und dargestellt werden kann. Basierend auf Raewyn Connells Theorien untersucht er das Konstrukt „Mann sein“. Seine großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien dienen als visuelle Annäherung und persönliche Reflexion.

„Im Raum steht die Frage, warum alternative Formen von Männlichkeit weiterhin marginalisiert sind, und auf welche Art der Blick auf ein breiteres Spektrum von Männlichkeit geöffnet werden könnte.“

Legrand schöpft aus seinem Leben als schwuler Mann, aus Begegnungen im Alltag, aus seinem sozialen Umfeld. Das Projekt wird künftig auch international erweitert: „Er plant beispielsweise eine Reise nach Nordafrika, um den Diskursraum um Erscheinungsformen von Männlichkeit zu erweitern und zu vertiefen.“

Die dritte Ausstellung „I’m thinking about going to Berghain. Ben Klock is playing tonight, and I never miss a set of his :-)“ befasst sich mit Kommunikationsformen auf Dating-Plattformen wie Grindr. Der Künstler rekonstruiert den digitalen Flirt als potenziell gefährlichen Raum:

„Durch die Anonymität gewinnen User mit gewalttätigen Absichten erleichterten Zugang zu potentiellen Opfern – auch weil in der Verbindung von persönlicher Sehnsucht und digitaler Distanz intensive Empfindungen von scheinbarem Vertrauen und unmittelbarer Intimität entstehen.“

Der Verlauf eines Chat-Gesprächs endet in einer fatalen Begegnung – dokumentiert durch originalgetreue Textnachrichten aus dem Berlin des Jahres 2015. Die Installation macht deutlich: Gewalt kann in scheinbar harmlosen Kontexten wachsen, und tradierte Rollenbilder müssen immer wieder neu hinterfragt werden.

Mit diesen vier Ausstellungen schafft die Photobastei Zürich einen wichtigen Raum für Reflexion, Sichtbarkeit und Dialog. Sie macht nicht nur queere Geschichte erfahrbar, sondern öffnet den Blick für die Gegenwart. Ein künstlerisches Statement – kraftvoll, intim und notwendig.

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Tags: Farbfotografie, Queere, Schwarzweißfotografie‎, Sexualität
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Wer: Photobastei

Wed+Sun 12-18, Thu-Sat 17-21

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