Stefan Kürten und Gehard Demetz: „Bad Moon Rising“ – Holz als Spiegel einer verstörten GegenwartMit der Ausstellung „Bad Moon Rising“ zeigen der Düsseldorfer Künstler Stefan Kürten (*1963) und der Südtiroler Bildhauer Gehard Demetz (*1972) erstmals gemeinsam ihre Werke – und setzen dabei konsequent auf Holz als zentrales künstlerisches Medium. Beide Künstler präsentieren ausschließlich Arbeiten aus diesem Material, das in ihrer jeweiligen Handschrift eine außergewöhnliche Präsenz entfaltet.
Für Demetz, geboren in Bozen und lebend in Wolkenstein im Grödner Tal, ist Holz weit mehr als nur ein Werkstoff – es ist elementarer Bestandteil seiner künstlerischen Identität. Die traditionsreiche Holzbildhauerei Südtirols, in der er zunächst als „Herrgottsschnitzer“ ausgebildet wurde, überführt er mit technischer Raffinesse und inhaltlicher Tiefe in die zeitgenössische Kunst. Seine lebensgroßen Kinderfiguren strahlen trotz ihrer realistischen Proportionen eine stille Fremdheit aus. Die Fragmentierungen der Körper, die Reduktion auf Gesicht und Hautpartien, aber auch die sakralen Attribute und Gesten lassen sie wie entrückte Wesen erscheinen. Ihre emotionale Wucht entsteht nicht nur durch meisterhafte Technik, sondern durch die Sinnlichkeit und Lebendigkeit des Holzes selbst – ein Material, das als fast „anti-modern“ gelten kann, weil es dem Betrachter eine unmittelbare emotionale Nähe abverlangt.
Für Stefan Kürten hingegen markiert Holz einen neuen Zugang zur künstlerischen Form. Bekannt für seine menschenleeren Architekturlandschaften in Malerei, zeigt er in dieser Ausstellung zum ersten Mal seine im letzten Jahr entstandene Serie der „Sunken Relief Paintings“. Den Impuls dazu lieferte ein alter Druckstock, dessen Vertiefungen Kürten zu bemalen begann. In dieser experimentellen Technik entstehen Werke von fast magischer Tiefe. Die vertrauten Motive – Wohnhäuser, Bungalows, Fassaden der westlichen Wohlstandsgesellschaft – wirken durch das Material geerdeter und zugleich bedrohlicher.
In Arbeiten wie „Dreaming Post War“ lässt Kürten den Bonner Kanzlerbungalow mit Calder-Skulpturen und Kakteen in der Dämmerung verschwinden. Daneben zeigt „All Things Must Pass“ das Berliner Kanzleramt hinter einem Tannenwald, der eher an Autobahn-Randbepflanzung erinnert als an den „Deutschen Wald“. Ein romantischer Sonnenuntergang à la Caspar David Friedrich kippt dabei in ein bedrohliches Leuchtfeuer.
Auch Demetz inszeniert eine Welt des Unbehagens. Seine Skulpturen stehen uns physisch nah, sind auf Augenhöhe, und doch scheinen sie nicht Teil unserer Realität zu sein. Ihre Symbolik, ihr Ausdruck, ihre Haltung – sie entziehen sich der sofortigen Lesbarkeit.
„Bad Moon Rising“ ist der Versuch, mit traditionellem Material und moderner Sprache den Zustand einer Gesellschaft zu deuten, die zwischen Sehnsucht und Verlust, zwischen Ideal und Desillusionierung schwankt. Es ist eine Ausstellung über die Fragilität kultureller Gewissheiten, über das Erbe der Vergangenheit und die Ungewissheit der Zukunft.
Zur Ausstellung erscheinen zwei monographische Publikationen, begleitet von Texten von Kay Heymer (zu Kürten) und Gregor Jansen (zu Demetz). Beide Autoren ziehen Parallelen zum Werk von David Lynch, dessen filmische Welten wie kaum andere die Abgründe hinter der Fassade und das Entrückte im Alltäglichen zeigen.
Auch wenn „Bad Moon Rising“ düstere Töne anschlägt, ist es kein Abgesang. „Vielleicht ist es ein Sign O’ The Times, dass uns diese Ausstellung, gerade jetzt, besonders anspricht.“ Ein Satz, der die Relevanz und emotionale Tiefe dieses außergewöhnlichen künstlerischen Dialogs auf den Punkt bringt.