WIENER AKTIONISMUS MUSEUM (WAM) ERÖFFNET MIT „WAS IST WIENER AKTIONISMUS? “DIE ERSTE AUSSTELLUNG DES NEUEN WIENER AKTIONISMUS MUSEUM PRÄSENTIERT AUF CA 900 M2 EINEN ÜBERBLICK ÜBER DIE 1960ER-JAHRE ALS KERNZEIT DIESER BEDEUTENDEN KUNSTBEWEGUNG IM ÖSTERREICH DER NACHKRIEGSZEIT.
„Wir haben unsere erste Ausstellung bewusst in sieben Teilbereiche gegliedert, um den Wiener Aktionismus sowohl chronologisch als auch nach eigenem Empfinden erlebbar zu machen. Somit ist sie für Laien wie Expert:innen gleichermaßen interessant und verständlich,“ erklärt WAM- Direktorin Julia Moebus Puck die Idee hinter „Was ist Wiener Aktionismus?“.
„Wir haben unsere erste Ausstellung bewusst in sieben Teilbereiche gegliedert, um den Wiener Aktionismus sowohl chronologisch als auch nach eigenem Empfinden erlebbar zu machen. Somit ist sie für Laien wie Expert:innen gleichermaßen interessant und verständlich,“ erklärt WAM- Direktorin Julia Moebus Puck die Idee hinter „Was ist Wiener Aktionismus?“.
1.VOM TAFELBILD ZUR AKTIONIm Erdgeschoss werden die frühen Bildwerke von Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler gezeigt. Die einzelnen Künstler werden in Sektionen vorgestellt - im Mittelpunkt steht ihre jeweilige individuelle Entwicklung von der Malerei hin zur Aktion. Eva Badura-Triska: „Hier wollen wir aufzeigen, dass alle vier Aktionisten als Maler angefangen und sehr unterschiedlich das Tafelbild zugunsten von Aktionen verlassen haben.“
Hermann Nitsch hatte bereits 1957 mit 19 Jahren sein orgien mysterien theaterverschriftlicht, das er von diesem Zeitpunkt ausgehend sein ganzes Leben lang weiterentwickelt hat. 1960 erweiterte er mit Malaktionen (Rinn- und Schüttbilder) den Werkprozess zu einem performativen theatralischen Akt .
Für Otto Muehl stand stets das Material im Sinne von Materie im Zentrum seines Schaffens. Dies zeigt sich bereits in seinen frühen informellen Bildern, die von einem immer üppiger werdenden Umgang mit Farbmaterie geprägt sind. Die Bildfläche, die Muehl als zu enges Aktionsfeld empfand, wurde durch Zerreißen, Zertrümmern und Ve r s c h n ü re n i m wa h r s t e n S i n n e d e s Wo r t e s g e s p re n g t u n d d a b e i i n e i n M a t e r i a l o b j e k t verwandelt.
Die bildnerischen Anfänge von Günther Brus lagen im Bereich der Zeichnung, jenem Medium, das ihm zeitlebens am nächsten stand. Schon seine frühen gegenständlichen Arbeiten sind von einer energischen, sehr körperlich betonten Strichführung bestimmt. In seiner ersten Aktion übertrug Brus diese Form der Malerei auf menschliche Körper als Bildträger sowie den umgebenden Raum. Dabei agierte er zusammen mit seiner Frau Anna in seiner ersten Aktion Ana.
Im Vergleich zu den Informellen Positionen ist Schwarzkoglers Malerei ruhiger und reduzierter. Die von ihm präferierten Farben sind Blau und Gelb (referenzierend auf Gold). Und auch seine 1. Aktion Hochzeit ist von diesen Farben bestimmt.
2. INSZENIERTE FOTOGRAFIEIm Untergeschoss wird die Ausstellung mit dem Themenbereich der Inszenierten Fotografie fortgesetzt . „Hinsicht der Rolle der Fotografie im Aktionismus fällt schnell der Begriff Dokumentationsmedium, der zwar stimmt aber auch zu kurz gegriffen ist. „Denn viele Aktionen sind ausschließlich für das Medium Fotografie geschaffen worden und haben einen sehr bildhaften Charakter“, erklärt Badura-Triska. Die erste Aktion der Inszenierten Fotografie hat Günter Brus 1964 mit seiner Aktion Selbstbemalung 1 durchgeführt.
Rudolf Schwarzkogler, der 1965 mit seinem aktionistischen Werk begann, hat bis auf seine 1. Aktion Hochzeit - zu der ein kleines, ausgewähltes Publikum zugelassen war – seine Aktionen immer nur zur fotografischen Wiedergabe inszeniert. Auch Nitsch und Muehl nutzten das Medium Fotografie auf vielfältige Weise.
3. BILDWERKE„Das Spannendste am Wiener Aktionismus und mitunter auch das Schwierigste ist, dass die vier Aktionisten auch in ihrer performativen Kunst nie ihr bildhaftes Denken ablegten.“, erklärt Moebus Puck. „Sie verstanden ihre Aktionen als erweiterte Form der Malerei.“ Zu allen Zeiten sind es die Bildwerke, die in Vorbereitung, im Gefolge, sowie neben den Aktionen entstanden. Wie zum Beispiel die Aktionsreliktevon Hermann Nitsch, die Collagen von Otto Muehl und die Aktionsskizzen von Günter Brus.
Dabei verweist Moebus-Puck speziell auf die Partituren und Aktionsskizzen von Günter Brus, die aufgrund ihrer Radikalität nie zur Umsetzung vorgesehen waren und daher bewusst immer nur Fiktion blieben.
4. SOLOAKTIONENDieser „Aktionsraum“ widmet sich der Zeit von 1965 bis 1967, der kreativsten und radikalsten Phase des Wiener Aktionismus.
Ausgestellt sind unter anderem Günter Brus Wiener Spaziergang, aber auch intimere Aktionen wie die von Egon Schiele inspirierte Transfusion oder die Aktion Diana(Aktion mit eigener Tochter als Baby). Zu sehen ist auch die Aktion in Aachen, bei der sich Brus seine erste Selbstverletzung zugefügt hat.
Von Hermann Nitsch wird unter anderem die 9. Aktion gezeigt, in der er sein orgien mysterien theater erstmals auch in den Außenbereich hinein erweiterte (auf Feldern vor Wien) und an der alle Aktionisten teilgenommen haben. Ausgestellt ist ebenfalls seine 25. Aktion, die zum ersten Mal außerhalb Europas in den USA stattfand und bei der ein Lärmorchester und ein Schreichor involviert waren.
Von Otto Muehl werden Aktionen präsentiert, in denen er Themen wie Homosexualität und das Verhältnis von Weiblichkeit und Männlichkeit verarbeitete. Auch seine beißende Gesellschaftskritik wird erkennbar, wie etwa beim Thema Körperwahn (Bodybuilding) oder der beginnenden Überflussgesellschaft (Nahrungsmitteltest).
Rudolf Schwarzkogler ist mit seiner 6. Aktion vertreten.
5. POLITISIERUNGDie zweite Hälfte der 1960er-Jahre ist davon geprägt, dass die Künstler gehäuft Gemeinschaftsaktionen realisierten. Darüber hinaus politisierten sich die Aktionen insbesondere bei Otto Muehl und Günter Brus. Es werden Werke der Vietnam Party, aus Kunst & Revolution, und Otto Muehls Politiker Porträts gezeigt.
Ebenso werden Flugblätter/ Plakate zum Direct Art Festival präsentiert.
6. RUDOLF SCHWARZKOGLERS SPÄTES KONZEPTUELLES WERKIm Nebenraum des WAM, der von der Weihburggasse aus zu betreten ist, sieht man Rudolf Schwarzkoglers spätes konzeptuelles Werk. Es handelt sich dabei um Entwürfe, die Rezipient:innen nicht mehr als Zuseher:innen verstehen, sondern starke sinnliche Eindrücke auslösen sollen, die am eigene Körper erfahren werden können. Darunter findet man Speiseabfolgen und sogar Aufforderungen zu Kuren.
7. F I L M Z E R R E I S S P R O B E A L S A B S C H L U S SDen Abschluss der Ausstellung bildet die dezidierte körperanalytische Auseinandersetzung im Wiener Aktionismus. Dabei wird lebensgroß der herausfordernde Film von Günter Brus radikaler Zerreissprobe aus dem Jahr 1970 gezeigt. Die Durchführung dieses Werkes brachte den Künstler selbst an seine Grenzen, weshalb er danach seine Laufbahn als Aktionist beendete.