Unter dem Titel WONG PING.edgingzeigt das MAK die erste Personale in Österreich zu einem der aufstrebendsten und exzentrischsten Künstler*innender Gegenwart. Mit pointierten Kurzfilmen, in denen er persönliche und fiktive Geschichten verwebt und sexuelles Begehren und unterdrückte Fantasienaus der Tabuzone holt oder als Metaphern für großegesellschaftliche Probleme heranzieht, sorgt Wong Ping (*1984 in Hongkong) für Furore. In einem speziell für den neuen Ausstellungsraum MAK Contemporary kreierten Setting zeigt das MAK vier seinerjüngsten Animationsfilme.Verpackt in farbenfrohe Popsprache und kindliche Ästhetik,spricht Wong Ping unsere tiefsten Wünsche,unterdrückten Fantasien oder Obszönitäten genauso an wieexistenzielle undpolitische Themen.Viele seiner Geschichten spiegeln die Atmosphäre unserer globalisierten und digitalisierten Gesellschaft im 21. Jahrhundert wider. „Sex ist nur die Sprache, nicht die Botschaft“, sagt Wong Ping über seine Arbeiten, die auch zu unbequemenund schambehafteten Wahrheiten eineunbeschwerte, humorvolle und zugängliche Herangehensweise finden.
Ob Isolation, sozialer Druck, politische Spannungen, gegensätzliche Ideologien, Angst vor Intimität, Versagen oder derVerlust individueller Freiheiten: Wong Ping übt messerscharfe Kritik und bringt die Widersprüche und Komplexitäten der zeitgenössischen Gesellschaft auf einen ungewöhnlichen Nenner.Mit entwaffnenderEhrlichkeit, stets an der Grenze zwischen Schock und Humor,regt er die Betrachter*innen an, verinnerlichteAnstandsnormen zu überdenken.
Dabei ist Wong Ping künstlerischer Autodidakt. Im Jahr 2005 machte er seinen Abschluss in Multimediadesign an der Curtin University in Perth (Australien) und arbeitete anschließend in der Postproduktion bei einem Fernsehsender in Hongkong sowie bei Cartoon Network. Durch Experimente mit Software, seine Begabung für das Erzählen von Geschichten und seine Vorliebe für Skurriles begann Wong, seine täglichen Erfahrungen und Wahrnehmungen in Hongkong in kurzen Animationsvideos zu verarbeiten, die er auf Vimeo hochlud. 2014 gründete er das von ihm so genannte „Wong Ping Animation Lab“.
Abgesehen von seiner sexuellen Konnotation ist vor diesem Hintergrund der Ausstellungstitel edging–das kontrollierte Hinauszögern einer Klimax –als Metapher für die prekäre Lage zu lesen, in der sich Hongkong politisch und gesellschaftlich befindet. Als ehemalige britische Kolonie wurde es1997 unter dem Leitspruch „ein Land, zwei Systeme“ an China zurückgegeben und der Region ein hohes Maßan Autonomie und Demokratie versprochen. Bedenken über die Erosion dieser Freiheiten und die Sorge um den Verlust ihrer Lebensweise und Bürgerrechte durch Pekings zunehmenden Einfluss haben in den letzten Jahren weitreichende Proteste in Hongkong ausgelöst.
Wongs charakteristische Bildsprache ist besonders effektiv, wenn es darum geht, gesellschaftliche Tabus zu verschleiern, die mit Beobachtungen über unterdrückte Sexualität, soziale Beziehungen, politische Beschränkungen und kulturelle Etikette aufgeladen sind. Seine Werke sind von dunklem Humor und provokativen Bildern durchzogen und fordern die Betrachter*innen heraus, ihre eigenen Normen und Konventionen zu hinterfragen.Der flache, runde Animationsstil mit Farbverläufen erinnert an die 8-Bit-Videospiel-Ästhetik und das frühe Internet sowieMTV-Werbungen der 1980er und 1990er Jahre.
In MAK Contemporary erwartet die Besucher*innen eine von Wong Ping eigens konzipierte Rauminstallation als nutzbare Kulisse für seine Szenografie von Animationsfilmen.Der abgedunkelte Raum ist mit einer Deckeninstallation aus farbigem Licht inszeniert. Ein langer Stollenboden führt zu einerrunden Sitzplattform, dem zentralen Ankerpunkt der Installation, von deraus die vier Videoarbeiten–Wong Ping’s Fables 1(2018), Wong Ping’s Fables 2(2019), Sorry for the Late Reply(2021) und Who’s the Daddy(2017)–nacheinander als großformatige Projektionen (Dauer zwischen 9 und 15 Minuten) gezeigt werden.
Das vomKünstler für die Ausstellung entworfene Key-Visual (für Plakatein der Stadt und online) zeigt eine Figur mit einer Maske, die auf einem schmalen Balken mit Stollen balanciert und versucht, eine Metallstange gerade zu biegen–ein Bild, das wie die für die Ausstellung gewählten Farben und Materialien dem potenziell unbehaglichen Gefühl entsprechen soll, das der Begriff „edging“hervorruft.