Der Titel der Ausstellung nimmt Bezug auf ein Buch von Emil Cioran, einem der Lieblingsautoren des Künstlers. Cioran war Dichter des Pessimismus – ein Philosoph, der immer am Rande des Selbstmords stand und einst gesagt hat: „Wenn ich nicht geschrieben hätte, wäre ich vielleicht ein Mörder geworden. Das Schreiben ist eine Frage zwischen Leben und Tod. Die menschliche Existenz besteht im Kern aus unendlicher Angst und Verzweiflung und das Schreiben kann die Dinge ein wenig erträglicher machen. Ein Buch ist ein aufgeschobener Selbstmord.“ Für Cioran ist das Scheitern allgegenwärtig. Große Ideen können durch Misserfolge beschädigt werden, ebenso wie die Kunst und der Mensch selbst. So wollte er kein Mensch mehr sein, „sondern träumt von einer anderen Form des Scheiterns“, schrieb er. „Das Universum ist ein einziges großes Versagen, und nicht einmal der Poesie gelingt es, dies zu korrigieren.“Für Jaar ist Kunst die unmögliche Antwort auf eine unmögliche Frage: Wie kann man Kunst machen, wenn die Welt in einem solchen Zustand ist? Im Hauptraum der Galerie erzeugt eine große Neonarbeit ein eindringliches Erlebnis. Im Zentrum stehen die Worte des Stoikers Seneca: „WHAT NEED IS THERE TO WEEP OVER PARTS OF LIFE? THE WHOLE OF IT CALLS FOR TEARS.“ Seneca glaubte fest daran, dass wir alle Schwierigkeiten akzeptieren und ertragen können, solange wir das nötige Wissen und einen starken geistigen Willen haben. Der Raum ist vollständig in rotes Licht getaucht, das eine Atmosphäre von poetischer Ungewissheit schafft und das Unbehagen der heutigen Zeit widerspiegelt. Der sinnbildliche Satz Senecas steht leuchtend im Raum, reagiert auf das Diktat des White Cube und füllt ihn mit einer Idee – einem Modell für das Denken über die Welt.
Im zweiten Raum der Ausstellung zeigt Jaar in dichter Hängung mehr als 50 Werke von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern sowie eine kleine Auswahl seiner eigenen Werke. Hier hat der Künstler versucht, einen „Raum des Widerstands, einen Raum der Hoffnung“ zu schaffen, ergänzt durch Hans Haackes Werk Grass Grows im Corner Space und Rebecca Horns Love and Hate, Knuggle Dome for James Joyce und Grada Kilombas Untitled Poem (One Sorrow, One Revolution) im Window Space.
Die vollständige Liste der Künstlerinnen und Künstler umfasst: Bas Jan Ader, Rosa Barba, Letizia Battaglia, Dawoud Bey, Monica Bonvicini, Frédéric 2 Bruly Bouabré, Stanley Brouwn, Giovanna Calvenzi, Angela de la Cruz, Hanne Darboven, Gino De Dominicis, Juan Downey, Ayşe Erkmen, Theo Esthetu, Valie Export, Hamish Fulton, Hans Haacke, Mona Hatoum, Jenny Holzer, Rebecca Horn, Ann Veronica Janssens, Joan Jonas, Birgit Jürgenssen, On Kawara, Seydou Keïta, Grada Kilomba, Cosima zu Knyphausen, Joseph Kosuth, Jannis Kounellis, Mischa Kuball, Piero Manzoni, Gordon Matta-Clark, Zanele Muholi, Shirin Neshat, Yoko Ono, Anna Oppermann, Giuseppe Penone, Susan Philipsz, Charlotte Posenenske, Gerhard Richter, Fred Sandback, Karin Sander, Carolee Schneemann, Malick Sidibé, Katharina Sieverding, Dayanita Singh, Nancy Spero, Rosemarie Trockel, Reijiro Wada, Lawrence Weiner und Francesca Woodman.Alle Werke wurden von Jaar in seiner Auseinandersetzung mit den Themen von Erinnerung und politischer Partizipation der letzten 70 Jahre zusammengeführt und zeigen eine Verbindung zwischen Kultur und demokratischem Leben auf. In unmittelbarer Nähe zueinander ausgestellt, erzählen die Künstlerinnen und Künstler eine gemeinsame Geschichte, die an Mitbestimmung appeliert – an ein „Wir“, das darauf drängt, die Welt zu verändern.
Diese Ausstellung ist Letizia Battaglia (geboren am 5. März 1935 und gestorben am 13. April 2022) gewidmet, einer Freundin Alfredo Jaars, die während der Vorbereitungen zur Ausstellung verstarb.
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