Erstmalig in Deutschland sind im Haus am Lützowplatz die atemberaubenden Werke der südafrikanischen Malerin Deborah Poynton (*1970) in einer Einzelausstellung zu erleben. Die Präsentation geht aus einer Kooperation mit dem niederländischen Drents Museum hervor, das der Künstlerin in der zweiten Jahreshälfte 2021 eine umfassende Schau unter dem Titel „Beyond Belief“ widmete.Deborah Poynton war im Haus am Lützowplatz bereits 2016 mit einem vielbeachteten Werk in der Gruppenausstellung Der feine Riss – Zeitgenössische Malerei auf dem historischen Feld repräsentiert. An die damalige Beschäftigung mit altmeisterlichen Traditionslinien im Kontext der Gegenwart knüpft nun auch die Ausstellung „Folly“ an, die von Marc Wellmann in enger Absprache mit der Künstlerin kuratiert wurde. Der von Deborah Poynton selbst gewählte Titel ist nicht schwellenlos ins Deutsche übertragbar. Es kann eine “Torheit” (naive stupidity), “Narrheit” (foolery) oder “Verrücktheit” (insanity) bezeichnen, dient aber auch als Fachbegriff für eine besondere Form eines „Prunkbaus“ aus dem 18. Jahrhundert. „Could there be a better word to describe these paintings that ape classicism, play at being meaningful, and which are entirely constructed but seem real?” (Poynton)
Deborah Poyntons zum Teil monumentale Leinwände sind in einer virtuosen realistischen Technik gemalt, in der kleinste Details sichtbar werden. Es sind Werke, die ein reflektierendes Seherlebnis anbieten, das zum Innehalten zwingt, und sich gegen die flüchtige Bilderflut der digitalen Medien stemmt. Die überwältigende visuelle Reichhaltigkeit ihrer Bildwelten, in denen der Blick fast endlos schweifen kann, zeigt jedoch eine konstruierte, aus unterschiedlichen Versatzstücken kombinierte Wirklichkeit. Häufig bleiben Teile der Leinwand leer, sodass man neben täuschend echten Illusionen das Gemachtsein der gemalten Bilder erkennt.
Poynton bezieht ihre Inspiration vollständig aus ihrer eigenen privaten Welt. Sie arbeitet nur mit wenigen Modellen, die alle aus ihrem engen Bekanntenkreis stammen. Ihre Aktfiguren, zu denen auch immer wieder Selbstporträts gehören, werden von der Künstlerin geradezu unerbittlich mit Falten, grauen Haaren, Muttermalen und Dehnungsstreifen gezeigt. Scheinbar wehrlos den Blicken der Betrachtenden ausgeliefert wirken sie in ihrer kraftvollen naturalistischen Nacktheit auf verstörende Weise sowohl anziehend als auch abstoßend. Die derart monumental vorgeführte Intimität ist oft nicht auszuhalten. Poynton zeigt alternde Körper im starken Kontrast zur Perfektion medial zirkulierender Bilder. Sie stellt in ihren Bildern eine ungefilterte Wirklichkeit zur Schau und befasst sich mit dem Altern als einem Prozess von eigentümlicher Schönheit.
Die dargestellten Szenen – teilweise provoziert durch die Werktitel – regen den Betrachter dazu an, sich Erzählungen vorzustellen. Häufig sind sehr persönliche Geschichten in die Werke eingeschrieben, aber es gibt keine richtige oder falsche Lektüre von Deborah Poyntons Werken, die als offener, oft höchst ambivalenter Assoziationsraum angelegt sind.
Deborah Poynton wurde 1970 in Durban, Südafrika, geboren. Ihre Jugend verbrachte sie zwischen Südafrika, Großbritannien, Swasiland und den Vereinigten Staaten. Sie studierte an der Rhode Island School of Design in Providence (1987-1989). Anschließend kehrte sie nach Südafrika zurück, wo sie hauptberuflich zu malen begann. Ihre erste Einzelausstellung fand 1998 statt. Seit 2003 wird Poynton von Stevenson (Kapstadt, Johannesburg, Amsterdam) vertreten. Poynton hat zwei Söhne und lebt mit ihrem Partner in Kapstadt.