Der Fotograf Otto Schmidt (Gotha 1849–1920 Wien) unterhielt um 1900 einen der größten fotografischen Kunstverlage in Wien. Das Angebot bestand aus Studienblättern, die Künstler*innen, aber auch Architekten, Tischlern und Dekorateuren als Arbeitsvorlagen dienten. In Kunstakademien und Gewerbeschulen in ganz Europa haben sich Konvolute seiner Werke erhalten, vor allem seine Akt-, Baum-, Fels-, Stein-, Hand- und Vordergrundstudien sowie Aufnahmen von Architekturen und kunstgewerblichen Gegenständen.Daneben schuf das Atelier Schmidt von den Zeitgenoss*innen begeistert aufgenommene Wiener-Typen-Serien, die im nostalgisch-verklärendem Gewand gewissermaßen eine kleine Ethnografie der Reichshaupt- und Residenzstadt boten. Schmidts Arbeit stand auch im Zeichen der Theaterbegeisterung der Zeit, hervorzuheben sind Zivil- und zahlreiche Rollenporträts des Burgtheaterstars Hugo Thimig, mit dem er darüber hinaus physiognomische Studien aufnahm.
Schmidts Aktproduktion gilt als die umfangreichste in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Über international agierende Händler*innennetzwerke zirkulierten die Fotografien über den ganzen Kontinent bis nach Amerika und befanden sich im Besitz zahlreicher Maler*innen und Bildhauer*innen. Über die Künstlerschaft hinaus nutzten auch Mediziner, Anthropologen und interessierte Connaisseurs die Bilder, um aus ihnen Einsichten zu gewinnen, ihre Forschungen zu bebildern, ihre gesellschaftlichen Visionen zu propagieren oder ihre Schaulust zu befriedigen. Die Grenzziehung zwischen „künstlerischen“ und – vom Strafgesetz verbotenen – „unzüchtigen“ Bildern verlief je nach Aufgeklärtheit und Weltanschauung sehr verschieden; Gerichtsprozesse zeugen von diesen Kämpfen um gesellschaftliche Werte.
Die Ausstellung leistet einen Beitrag zur Erforschung der Berufsfotografie im 19. Jahrhundert und untersucht am Beispiel des fotografischen Verlags Otto Schmidt den unauflöslichen Zusammenhang von Ästhetik, Ökonomie, Bilderkonsum und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit dem Photoinstitut Bonartes.