Bevor europäischePorzellane aus Meißen und Wien im frühen 18. Jahrhundert ihren Siegeszug in Europa antraten, hatte eine in Italien entwickelte Luxuskeramik die gehobene Tischkulturgeprägt: Majolika. Mit derAusstellung ZINNGLASUR UND BILD-KULTUR. Die Majolikasammlung des MAK im Kontext ihrer Geschichtelenkt das MAK den Blick auf das berühmte, reich bemalte Steingut und öffnet erstmals die im MAK verwahrte, exquisite Sammlung von Majolikendes 15. bis 18. Jahrhundertsfür das Publikum. Herausragenden Stückenaus der MAK-Sammlung werden in der Ausstellung Leihgaben aus bedeutenden Wiener und mitteleuropäischen Sammlungen gegenübergestellt. Berei-chert um Exponate zeitgenössischer italienischer Majolikakünstler*innen,gibt die Schau einen weitreichenden Einblick in dieEntwicklung der Majolikakunst.Die bislang wenig beachtete, hochqualitative Majolika-Sammlung des MAK umfasst so-wohl die Objekte aus der kaiserlichen Sammlung der Kunstkammer Ferdinands von Tirol in Ambras und aus dem Nachlass von Franz Ferdinand von Österreich-Este als auch die Majoliken aus Stift Neukloster in Wiener Neustadt.„Wenn man daran interessiert ist, die gesamte Bandbreite der Kunst und Kultur der Renaissance in Italienzu verstehen und zu genießen, muss man sich Majolika ansehen, die lebendigste, intimste und vielfältig aufschlussreiche Kunstform der Renaissance“, skizziert Gastkurator Timothy Wilson, Professor emeritus am Balliol College Oxfordund ehemaliger Keeperof Western Art des Ashmolean Museum Oxford, die Bedeutung der Majoliken.Der weltweit führende Experte für italienische Majolika kuratiert die Ausstellunggemeinsam mit Rainald Franz, Kustode MAK-Sammlung Glas und Keramik.
Der Begriff„Majolika“geht aufdie altitalienische Bezeichnung für die Insel „Mallorca“ zurück.Vermutlich stammte von dort die maurisch geprägteTonware, die deritalienischen Majolika als Vorbild diente. Majoliken zeichnen sich durch eine opak-weiße Zinnglasur aus, die zum Träger dernachfolgenden, oft stark farbigen Bemalung wird. In Nordeuropa entsprechen ihnen die Delfter Keramik und Fayencen. Die Techniken der Erzeugung von Majolika imItalien des 16. Jahrhundertssind bekannt aus dem von Cipriano Piccolpasso 1557 in Castel Durante verfassten Traktat Die drei Bücher der Keramikkunst [Li tre libri dell’arte del vasaio],dersich heute im Besitz des Victoria & Albert Museum in London befindet.
Ab dem frühen 16. Jahrhundert wurdeMajolika-Geschirr zum Luxusexportgut Italiensund verbreitetesich bis an die Höfe Nordeuropas. Künstler*innenersten Ranges, wie Raffael, lieferten Vorlagen für die Gestaltung der Keramiken. Diese Stücketauchen späteretwa auch in den Fresken Giulio Romanos im Palazzo del Té in Mantua als Schmuck eines Schaubuffetsauf. Sogenannte „Istoriato-Majoliken“illustrierenantike Sagen und Göttergeschichtenin vielfigurigen Szenen. Sieavancierten zu italienischen Tafelgesprächen für die humanistisch gebildeten Adeligen. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickeltesich ein internationaler Sammlermarkt für historische Majoliken, die sich später auch als Vorbildobjekte in den neu gegründeten Museen für Kunst und Industrie finden. Die Keramikindustrie des 19. Jahrhunderts bedientesich dieser Vorlagen europaweit. Im Vorfeld der Ausstellung, die 220 Majolikenzeigt und von einer umfassenden Publikation begleitet wird,wurden die Stücke aus der MAK-Sammlung wissenschaftlich neu be-arbeitet. Für die Ausstellung arbeitetdas MAK mit dem Institut für Konservierung und Restaurierung sowie mit dem Keramikstudio der Universität für angewandte Kunst Wienzusammen. Geplant ist einfür das Publikum zugänglicherWorkshop, in dem zeitgenössische italienische Majolikakünstler*innen die Technik der Majolikakeramik praktisch vorführenwerden. Vor Ort formen und glasieren sie die Stücke, die anschließend im Keramikstudio der Universität für angewandte Kunst gebrannt werden.
Der Katalog zur Ausstellung wird realisiert mit freundlicher Unterstützung von Ceramica-Stiftung, Basel DOROTHEUM