Seit über 20 Jahren bildet die Befassung mit der Natur einen Schwerpunkt in Brandls Werk: mit seinen emblematischen Gebirgsbildern und –panoramen, die den Blick ins Monumentale und Erhabene öffnen, oder den „Zoom-ins“ und „Blow-Ups“ von Wiesen- und Rasenstücken wechselt er zwischen Nah- und Fernsichten auf die Natur. Es geht dabei nicht um die Illustration von Landschaft, sondern um eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis des Menschen und der ihn umgebenden Natur. Könnte man vielen seiner Arbeiten die Darstellung eines ursprünglichen Naturbegriffs attestieren, das heißt einer Natur frei bzw. befreit von jeglichem Einfluss des Menschen, so verhält es sich bei den Arbeiten der aktuellen Ausstellung anders. Bei den dargestellten Bäumen handelt es sich um Bonsais (zu Deutsch „Pflanze in der Schale“). Die japanische, ursprünglich chinesische Gartenkunst steht für die Gestaltung von Bäumen, ihr deutlichstes Charakteristikum ist dabei die Wuchsbegrenzung der Pflanzen. Sie folgt dem Anspruch eines harmonischen Miteinander der Naturelemente, das auf dem Einklang von belebter Natur, der Naturkräfte und dem Menschen aufbaut. Ein Bonsai stellt diese „en miniature“ nach: die belebte Natur wird durch den Baum, die Naturkräfte durch Steine oder Kies angedeutet, der Mensch wird in Form seines Handwerks, einer Schale, dargestellt. Brandls Bäume sind also keine freiwachsenden Naturgewalten, es handelt sich vielmehr um durch den Menschen reglementierte Natur, und doch stehen sie sinnbildlich für ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur.
Brandls künstlerische Arbeit ist eng verwoben mit seinem Beschäftigungsfeld als materieller und visueller Sammler, neben der intensiven Auseinandersetzung mit japanischen Schwertern, Bergkristallen oder afrikanischen Raubkatzen, widmet er sich seit Jahrzehnten, immer wieder, in letzter Zeit verstärkt, der Anschaffung und Pflege von Bonsaibäumen. Mit der malerischen Umsetzung der Bonsais begegnen nun stillere, intimere Sujets der großen Geste erhabener Naturszenerien, sie erzählen von einem unmittelbaren, sehr persönlichen Zugang des Künstlers zur Natur.
Oh Manitu. Das Brandl’sche Universum ist facetten- und referenzreich, werden inhaltliche und formale Impulse aus seinen Sammlungen oftmals zum Ausgangspunkt seiner Bildfindungen, so dient ihm sein immaterieller Fundus von Zitaten aus Comic, Film, Musik und Alltagsmedien als Quelle für die Titel seiner Ausstellungen. Diese erzeugen, ohne eindeutige Zuordenbarkeit und Lesbarkeit, einen Bruch - als humorvolle Setzungen mit popkulturellen Anleihen wirken sie einer allzu nüchternen oder romantisierenden Auslegung seiner Kunst entgegen.
Véronique Abpurg
HERBERT BRANDL geboren 1959 in Graz, lebt und arbeitet in Wien. 2004 − 2019 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Er nahm 1989 an der São Paulo Biennale und 1992 an der Documenta IX in Kassel teil. 2007 vertrat er Österreich an der Biennale in Venedig.Einzelausstellungen (Auswahl): Kunsthaus Graz; Kunsthalle Graz; Belvedere 21, Wien (2020), Museum Franz Gertsch, Burgdorf (2017), Haus der Kunst St. Josef, Solothurn;Osthaus Museum Hagen (2016), Kunsthalle Emden; Altana Kulturstiftung, Bad Homburg; Bank Austria Kunstforum, Wien (2012), Albertina, Wien (2010), Deichtorhallen, Hamburg(2009), Künstlerhaus Graz; Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz (2002), Kunsthalle Basel (1999), Secession, Wien (1998), Museum Haus Esters, Krefeld (1994), Museum Van Hedendaagse Kunst, Gent; Kunsthalle Bern (1991).Einzelausstellungen in derGalerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Wien: 1997 (mit Adrian Schiess), 1998, 2003, 2005, 2007, 2010, 2012, 2014, 2016, 2019, 2020Museumssammlungen (Auswahl): Albertina, Wien; Centre Pompidou, Paris; Kunsthaus Zürich; Kunstmuseum Bonn; Musée d’art Modernede Paris; Museu Serralves, Porto; Museum Moderner Kunst, Wien; Reina Sofia, Madrid; Städtische Galerie im Lenbachhaus, München; The Renaissance Society, Chicago; Universalmuseum Joanneum, Graz
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