Die abstrakte Kunst war nie tot. Seit ihren revolutionären Anfängen zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sie immer wieder Blütezeiten erlebt und alle Anfeindungen, ja sogar Verbote, überlebt. Und mehr als das: Gerade heute widmen sich Künstler*innen und Museen zunehmend diesem Thema – in den wichtigsten Kunstmetropolen weltweit und in einer bisher nicht gekannten Vielfalt.Aspekte der abstrakten Kunst der Gegenwart, verbunden mit historischen Reminiszenzen, stehen im Mittelpunkt der dritten Schau aus der Sammlung der Deutschen Bank im PalaisPopulaire. Die Auswahl umfasst ca 168 Werke von 1959 bis 2021. Entsprechend der Sammlung insgesamt ist die Zusammenstellung mit 47 Künstler*innen aus vierzehn Ländern global ausgerichtet.
Gezeigt werden nicht nur – wie in den beiden Ausstellungen zuvor – Zeichnungen und Fotografien, sondern erstmals auch signifikante Gemälde und Druckgrafiken. Letzteres Medium einzubeziehen, bietet sich hier besonders an, da gerade der Siebdruck mit seinen industriellen, anonymen Farbflächen die ideale Technik für die Umsetzung konstruktiver oder konkrete Bildideen darstellt. Nahelegend bei diesem Thema ist auch das Arbeiten in Serien mit geometrischen Variationen, wechselnden Perspektiven oder Farbgebungen.
Der Titel Ways of Seeing Abstraction leitet sich ab von John Bergers populärer BBC-Fernsehserie und Publikation Ways of Seeing aus den 1970er-Jahren und verweist in Bezug auf die Ausstellung auf die vielfältigen „Wege“ der Künstler*innen, ungegenständliche Bildwelten zu schaffen und auf die gleichermaßen vielfältigen Möglichkeiten der Betrachter*innen, diese individuell wahrzunehmen und zu interpretieren. In diesem Sinne basiert die Auswahl der vorgestellten Künstler*innen und ihrer Werke auf der ganz persönlichen Sicht des Kurators Friedhelm Hütte, der die Sammlung Deutsche Bank seit vielen Jahren verantwortet und damit auch deren Aufnahme der abstrakten Strömungen der Gegenwartskunst maßgeblich geprägt hat.
Die Besucher*innen können Neues in Bezug auf vertretene Namen entdecken und Bekanntes in ungewohnten Zusammenhängen erleben. Die Präsentationen in den beiden offenen Galerien führen zu raumgreifenden Kompositionen, in der jedes Werk zwar seinen eigenen Stellenwert hat, aber idealerweise im Zusammenspiel mit der Architektur und im Dialog mit den benachbarten Werken über Stil- und Zeitgrenzen hinweg weitere Ebenen der Wahrnehmung ermöglicht.
Wie die Sammlung Deutsche Bank ist auch Ways of Seeing Abstraction global konzipiert mit einer Auswahl von eher unbekannten oder selten gezeigten Werken international bekannter Künstler wie Gerhard Richter oder Tadaaki Kuwayama und einer Reihe von Neu- und Wiederentdeckungen wie zum Beispiel Positionen von Rana Begum, Jennie C. Jones, Kapwani Kiwanga oder Wilhelm Müller.
Die Ausstellung verzichtet bewusst auf Kategorisierungen wie Konstruktivismus, Abstrakter Expressionismus, Informel, Hard Edge, Konkrete Kunst oder Neo Geo. Sie zeigt, dass insbesondere jüngere Künstlergenerationen Elemente dieser heute historischen Stilrichtungen nicht nur als ihr Formenreservoir nutzen, sondern sie auch neu interpretieren und mit aktuellen, auch politischen Inhalten verbinden.
Künstler*innen:Markus Amm, Rana Begum, Otto Boll, Kerstin Brätsch, Cabrita, Ernst Caramelle, Carlos Cruz-Diez, Adriana Czernin, Helmut Federle, Gunther Förg, Günter Fruhtrunk, Franziska Furter, Rupprecht Geiger, Katharina Grosse, Erwin Heerich, Bernhard Härtter, Daniel Hunziker, Jürgen Jansen, Olav Christopher Jenssen, Jennie C. Jones, Kapwani Kiwanga, Imi Knoebel, Tadaaki Kuwayama, Thomas Locher, Fabian Marti, Bernd Minnich, Wilhelm Müller, Nima Nabavi, Erin O´Keefe, Albert Oehlen, Susanne Paesler, Blinky Palermo, Jorge Pardo, Georg Karl Pfahler, Charlotte Posenenske, Lothar Quinte, Gerhard Richter, Peter Roehr, Ulrich Rückriem, Fred Sandback, Karin Sander, Kai Schiemenz, Richard Serra, Dieuwke Spaans, Ulrich Wendland, Claudia Wieser, Beat Zoderer