Die letzten umfassenden Präsentationen seines Werks in diesem Museum liegen mittlerweile sehr weit zurück – Josef Pillhofer. Plastiken, trigon-Personale, Ausstellung steirischer herbst, veranstaltet von der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum (1971), und Josef Pillhofer, Zeichnungen vor der Natur, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum (1973). In den wesentlichen Sammlungsausstellungen der Neuen Galerie Graz kam Pillhofers Werk jedoch beispielhaft stets vor. „Nun zeigen wir eine feine, umfangreiche Ausstellung, die sich auch als Alternative zur derzeit im Leopold Museum in Wien gezeigten Pillhofer-Ausstellung versteht“, erklärt der Leiter der Neuen Galerie Graz, Peter Peer. Die Bedeutung Josef Pillhofers als Bildhauer, Zeichner und Künstler im Allgemeinen ist unbestritten und reicht weit über die Grenzen des Landes hinaus. Es erschien nicht sinnvoll, einen chronologischen Ablauf bzw. die klassische Form der Retrospektive zu wählen. Stattdessen wurde in dieser Ausstellung der Versuch unternommen, Pillhofers Werk exemplarisch hinsichtlich einiger für sein Werk wesentlicher Aspekte zu beleuchten. Damit wird eine neue oder aktuelle Sichtweise auf einen der bedeutendsten Bildhauer des Landes eröffnet. „Pillhofer war der erste, der in Österreich gegenstandslose Skulpturen geschaffen hat. Er ist stets der kubistischen Tradition treu geblieben, hat sie aber auch ständig erweitert“, erklärt Kurator Günther Holler-Schuster.
Wechselspiel von Zeichnung und SkulpturRund 130 Werke sind in dieser Ausstellung zusammengeführt, die unterschiedliche Bereiche im Schaffen Josef Pillhofers abdecken. Bemerkenswert ist die Unterschiedlichkeit der Werkgruppen. Zeichnungen und Skulpturen wechseln einander ab. Dabei sind die Zeichnungen selten reine Bildhauerzeichnungen, sondern selbstständige Kunstwerke mit eigenen Problemstellungen und Lösungen. Diese Arbeiten sind äußerst aufschlussreich. So sind die in der Ausstellung sehr zahlreich vertretenen Landschaftszeichnungen hervorragende Zeugnisse dafür, wie Pillhofer aus Formationen in der Natur skulpturale Formen extrahiert. Architektonische und skulpturale Konstellationen ergeben sich für ihn direkt aus dem Naturerlebnis bzw. aus der Betrachtung derselben. So ist auch eindrucksvoll zu sehen, wie sich aus den Zeichnungen vom Neuberger Münster die Skulptur Erinnerung an das Neuberger Münster entwickeln lässt.
Experimente mit gegenstandsloser Skulptur und „negativem Raum“Es sind oft die Formen aus der Natur, die Pillhofer isoliert und zu völlig neuen Inhalten zusammenführt. Man ist dabei auch an die konkrete Kunst erinnert, die für den Künstler in seiner frühen Schaffensphase sicher einflussgebend war. Referenzen zu Georges Vantongerloo, Katarzyna Kobro oder Lygia Clark sind genauso verblüffend wie bisher unbemerkt geblieben. Josef Pillhofer steht der Tradition der Moderne nahe, er formuliert diesbezüglich äußerst exakt, was wohl auf seine Ausbildung Anfang der 1950er-Jahre in Paris bei Ossip Zadkine zurückzuführen ist. Seine Begegnungen mit weiteren Hauptvertretern der Moderne wie Constantin Brancusi, Henri Laurens oder Alberto Giacometti haben das Übrige getan. Pillhofer war zu dieser Zeit hervorragend vernetzt und hatte höchstes Ansehen unter den Heroen der Moderne. In Österreich fand er in Fritz Wotruba einen adäquaten und genialen Lehrer, den er an Radikalität übertreffen sollte. Wotruba hat den Menschen als Grundbezugsquelle seiner Arbeit nie verlassen. Pillhofer hingegen ließ das Anthropomorphe hinter sich. Er war der erste Bildhauer in Österreich, der rein gegenstandslose Werke schuf. Seine Experimentierfreudigkeit hat ihn zu weiteren wesentlichen Entscheidungen innerhalb seines Schaffens geführt. So ist auch der „negative Raum“ ‒ die Zwischen-, Um- und Hohlräume ‒ ein Aspekt in seinem Schaffen. Ihm wurde ähnlich wie den Konstruktivisten und konkreten Künstler*innen bewusst, dass der immaterielle Bereich für die Skulptur gleichbedeutend ist wie die Skulptur selbst. Somit thematisiert er nicht selten den Schatten als konstruktives Element der Skulptur. Er lässt Zwischenräume bewusst prominent in Erscheinung treten und definiert auf diese Weise den klassischen Skulpturenbegriff gleichsam neu.
Die Blechbiegungen, die bereits in den 1950er-Jahren entstanden sind, zeugen von der Auseinandersetzung mit dieser Art von Raumvorstellung. Aus der Fläche gebogene Körper bilden Volumen, die sie begrenzen, die sie umfassen. Das Räumliche als Kategorie kommt somit vehement in die Skulptur. Damit ist der Kontext der Architektur ebenso gemeint wie die Skulptur. Die Skulptur ist im 20. Jahrhundert nicht mehr ausschließlich damit beschäftigt, die Kategorien Masse, Volumen und Schwerkraft zu verhandeln. Vielmehr geht das Interesse der Bildhauer*innen seit Beginn des 20. Jahrhunderts bereits in Richtung Raum, Zeit, Energie und Bewegung.
Aufbrechen von GesetzmäßigkeitenJosef Pillhofer lässt sehr viel davon in seinem Werk anklingen. Er zeigt Ansätze, die höchst radikal sind, und ist somit ein sehr aktueller Bildhauer mit gegenwärtigen Fragen und Problemen, mit denen wir gerade heutzutage ständig konfrontiert sind. Die Skulptur ist bei Pillhofer zwar überwiegend auf das Gegenständliche bzw. die menschliche Figur zurückzuführen. Sie besteht auch meist aus den klassischen Materialien Stein oder Bronze und ist oft sockelgebunden. Jedoch bricht Pillhofer diese Gesetzmäßigkeiten auf und erreicht damit eine Erweiterung der bildhauerischen Konstanten. Seine Fragestellungen reichen grundsätzlich in benachbarte Sparten wie Zeichnung, Collage und weiter bis zur Bewegung, wenn er Skulpturen entwickelt, mit denen auf der Bühne agiert wird – so auch von seiner Tochter Susanna Tabaka-Pillhofer und seinem Schwiegersohn Jan Tabaka, die 1989 das THEATER TANTO gründeten und in einigen Produktionen mit Josef Pillhofer kollaborierten.
Sein Werk in dieser Ausstellung zu ehren, wird überraschende und vielleicht bis jetzt noch nicht in diesem Maße bekannte Erkenntnisse sichtbar machen. Die Werke dieser Schau kommen aus der Sammlung der Neuen Galerie Graz (fünf Arbeiten), der Großteil sind jedoch Leihgaben, die dem Nachlass des Künstlers entstammen und bisher selten bis nie gezeigt wurden.
Zur Ausstellung erscheint ein 160-seitiger Katalog auf Deutsch (ISBN 978-3-903179-38-7), der um 9,50 € im Joanneumsviertel sowie im Onlineshop der Neuen Galerie Graz erhältlich ist.
Öffnungszeiten09. Februar 2021 bis 09. April 2021 Di-So, Feiertag 10 - 18 Uhr10. April 2021 bis 31. Oktober 2021 Mo-So, Feiertag 10 - 18 Uhr01. November 2021 bis 31. Dezember 2021 Di-So, Feiertag 10 - 18 Uhr
ÜberblicksführungenSo & Feiertag 11 UhrAbweichungen möglich. Weitere Termine finden Sie im Kalender oder nach Voranmeldung
KunsthauscaféMo-Do 9-23 UhrFr-Sa 9-1 UhrSo 9-20 UhrT +43-316/714 957
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