Bakelit trägt den Namen seines Erfinders: Der belgische Chemiker Leo Hendrik Baekeland (1863–1944) forschte in den USA ab 1899 an der Entwicklung eines kostengünstigen Isola- tionsmaterials für die Elektroindustrie als Ersatz für bis dahin eingesetzte Naturmaterialien wie Schellack und Zelluloid. 1907 konnte er sein Ersatzprodukt auf Basis des Kohlenwasser- stoffproduktes Phenol patentieren und benannte den vollsynthetischen Kunststoff Bakelit. Ab seiner Markteinführung im Jahr 1920 wurde Bakelit aufgrund seines Härtegrades und seiner Hitze- und Säurebeständigkeit das Material der Stunde für die Technik und Elektro- industrie im Zeitalter der Konsumgesellschaft und industriellen Massenproduktion, dem „Machine Age“.
Als für alle Zwecke einsetzbares Industriematerial gelang es Bakelit, eine Brücke zwischen Kunst und Industrie zu schlagen. Das „Material der 1 000 Möglichkeiten“ wurde zuneh- mend auch wegen seiner ästhetischen Qualitäten geschätzt. Bedeutende Designer nutzten die Produkttechnologie in ihren Entwürfen für Massenprodukte im neuen „Streamline De- sign“, das Elemente des Fahrzeug-Designs zur Verringerung des Luftwiderstandes in die Formgebung des Art déco integrierte.
Über Jahrzehnte hinweg beschäftigte sich Georg Kargl mit Bakelit. Seine Sammlung bein- haltet einen repräsentativen Querschnitt über die künstlerischen Gestaltungspotenziale des außergewöhnlichen Rohstoffs: von High bis Low, vom Massenprodukt bis zum Designer- stück. Mit der Ausstellung zu Bakelit gibt das MAK diesem wenig bekannten Sammlungs- schwerpunkt eines der bedeutendsten ProtagonistInnen der Wiener und internationalen Kunstszene und ExpertInnen der Wiener Moderne im Bereich der angewandten Kunst ein Forum. Die Ausstellung BAKELIT. Die Sammlung Georg Kargl umfasst Stücke aus dem Zeitraum zwischen 1930 und 1970, die eine strenge Ästhetik verbindet. Diese resultiert aus einer intrinsischen Beziehung zwischen erwarteter Funktion, technologischen Eigenschaften und Möglichkeiten des Materials sowie verfügbaren Verfahren. In einem eigens entworfenen Ausstellungsdisplay des Künstlers Mladen Bizumic werden die Objekte in 14 Sachgruppen präsentiert. Zu sehen sind unter anderem elektrische Geräte wie Ventilatoren, Haarföhne, Kaffeemühlen, Bügeleisen und Staubsauger, Kommunikationsmittel wie Telefone, Radio- und Fernsehgeräte (das Bush-TV-Set aus GB) und Lautsprecher, die ikonischen Jumo- Lampen aus dem Frankreich der 1920er Jahre, Fotoapparate, Fahrzeugmodelle sowie das Babyfon nach einem Entwurf von Isamu Noguchi.
Die Ausstellung thematisiert in begleitenden Texten die Geschichte eines Materials, das als erster Kunststoff die Produktion des frühen 20. Jahrhunderts revolutionierte und maßgeb- liche gesellschaftliche Bedeutung entfaltete. Als Dokumente der Ästhetik der ersten Phase der Vollmechanisierung der modernen Gesellschaft haben Bakelit-Objekte in der Designge- schichte ihren unbestrittenen Platz. Die weitere Entwicklung von Kunststoffen wurde von sich wandelnden wirtschaftlichen Überlegungen bestimmt und zunehmend von ökologi- schen Fragestellungen beeinflusst. Heute erfüllt Bakelit als weder abbau- noch recycelbares Vollsynthetik-Material nur noch eine Nischenfunktion. Wie damals befinden wir uns auch heute an der Schwelle eines neuen Produktionszeitalters. Die Bakelit-Sammlung von Georg Kargl regt zur grundsätzlichen Reflexion über neue Materialien und ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung in einer Zeit des Umbruchs an.
Kuratorisches Team Künstlerische Ausstellungsgestaltung Technische Koordination Kuratorenführungen
MAK-Eintritt
Dienstag, 14. Juli 2020, ab 18:00 Uhr
MAK DESIGN LABMAK, Stubenring 5, 1010 Wien14. Juli (Öffnung ab 18:00 Uhr) – 26. Oktober 2020 Di 10:00–21:00 Uhr, Mi–So 10:00–18:00 Uhr
Rainald Franz, Gerson Lessa Mladen Bizumic
Itai Margula
mit Rainald FranzDo, 16. Juli, 17.00 UhrDi, 8. September, 18.00 UhrBegrenzte TeilnehmerInnen-Zahl (25 Personen), Anmeldung un- bedingt erforderlich unter www.mak.at/vermittlungBitte wenn möglich eigene Kopfhörer für die Führung mitbringen.
€ 14 / ermäßigt € 11 / Familienkarte € 15Jeden Dienstag 18:00–21:00 Uhr: Eintritt € 6 Bis Ende Juli freier Eintritt an Dienstagabenden Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 19
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