Der Swimmingpool ist ein Liebling der Nachkriegsmoderne: als öffentliche Einrichtung verbunden mit der Verheißung, dass jedermann ein Recht auf Freizeit hat; im privaten Besitz dagegen als Statussymbol, entweder als Freizeittempel im Untergeschoß oder im Garten des Bungalows. Nicht nur während des Wirtschaftswunders liebten die Menschen Freizeitaktivitäten am und im Pool: man optimiert den Körper, stellt seinen Reichtum zur Schau oder taucht einfach unter seinesgleichen ab. Die Vorstellung von Freizeit und Zerstreuung, glatten Wasserflächen und blauer Transparenz markiert einen Fluchtpunkt aus dem Alltag. Aber der Freizeitbegriff ist heute, wie auch früher, diffuser Natur, denn in ihm vereinen sich sowohl zeitliche als auch emotionale Handlungselemente.
Die Ausstellung SPLASH BACK in der GALERIE LISI HÄMMERLE nutzt das Phänomen Swimmingpool, um die Frage nach der Relevanz der Nachkriegsmoderne und ihrer Architektur (vor dem Horizont ihres fortschreitenden Verschwindens aus unserer Umwelt) in post-postmoderne Lichtverhältnisse und ihre Reflexionen zu stellen. Wenn wir uns bemühen, die heutige Distanz zur Nachkriegsmoderne und ihrer Konsequenz zu bestimmen, entsteht ein Zustand der Verletzlichkeit, denn es gehen damit auch Verlusterfahrungen einher. Der Swimmingpool wird von den teilnehmenden Künstlern als assoziatives Sammelbecken, als „Pool der Differenzen“ genutzt. Und somit wird die Vielschichtigkeit, Versprengtheit, Diskontinuität und Brüchigkeit des Begriffs der Moderne zum Thema der Ausstellung. In der Nachkriegsmoderne waren Swimmingpools ein reizvolles Thema für die Kunst. In den sechziger Jahren malte David Hockney sein Swimmingpool Bild "A Bigger Splash". Zu sehen ist ein Swimmingpool mit Sprungbrett vor einem kalifornischen Bungalow und ein Wasserspritzer – es ist der Moment eines Sprungs ins Wasser. Weder sieht man die Person, die soeben in den Pool gesprungen sein muss, 
noch schlägt das Wasser rund um die Einsprungstelle Wellen. Es ist eine Verfälschung der Realität durch das Weglassen der natürlichen Gegebenheiten. Dieses Werk ist ein Sinnbild der Ambivalenz: es steht sowohl für den Wohlstand der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft, aber auch für den Überdruss dieser Gesellschaft, deren Selbstzufriedenheit zum Verlust ihres "Drives" geführt hat. Abgesehen von Hockneys Schlüsselwerk ist der 1967 in die Kinos gekommene Film "Die Reifeprüfung" von Mike Nichols ein wichtiger Referenzpunkt zum Thema Swimmingpool, mit seiner ikonographischen Sequenz im Pool, in der Dustin Hoffmann gelangweilt unter Wasser verharrt. Der Pool ist zur Insignie des (Un-)Glücks geworden und markiert einen diffusen Raum. So auch bei John Cheevers Kurzgeschichte "The Swimmer" (1964) und dem darauf basierenden Film von 1968: Nachdem er den "Lucinda River" aus Vorstadtpoolen durchschwommen hat, steht Burt Lancaster verwirrt vor seinem verlassenen Haus. Text: Alekos Hofstetter / Mit freundlicher Unterstützung von Daniel Wild.
BETTINA ALLAMODAAusgangspunkt der Arbeiten von Bettina Allamoda bildet die Analyse und Freilegung verborgener Politiken der Sichtbarkeit, die in die Oberflächen populärer kultureller Phänomene wie Mode, Kunst und Architektur eingeschrieben sind. In ihren Spandex Studies untersucht sie, wie körperliche durch mediale Erfahrung überformt wird und überträgt diese in den Bereich der Skulptur und Collage, indem sie ihm die Form einer paradigmatischen, abstrahierten, aber dennoch konkret raum-zeitlichen Erfahrung gibt. Die Thematisierung des Körpers im Raum im Hinblick auf architektonische Kontexte, sowie Dehnbarkeit/Torsion stellt dabei einen besonderen Schwerpunkt dar. In ihren Untersuchungen zur Mediatisierung von Geschichte und Dokumentation (Archäologie der Gegenwart), unterschiedliche diskursive Felder durchkreuzend, reflektiert Allamoda die Implikationen aktueller Ereignisse und medial verstreuter Bilder, wobei die Frage nach der gesellschaftlichen Rolle und Funktion der Kunst immer wieder neu gestellt wird.
ALEKOS HOFSTETTERBauten der Nachkriegsmoderne funktioniert Alekos Hofstetter in seinen Zeichnungen des Werkzyklus TANNHÄUSER TOR zu utopischen Kultstätten um. Die neu geschaffene Bildwelt des TANNHÄUSER TORS mit ihren Neu- und Umbauten hat nichts mit brutalistischer Nostalgie gemein. Die in den Zeichnungen oft durchgeführte fantastische Verpflanzung von modernistischen Bauten in abstrakte Zusammenhänge konstruiert eine neue Distanz und ermöglicht dem Betrachter eine Neubewertung der Nachkriegsmoderne durch Rekontextualisierung. Beton. Es kommt eben drauf an, was man draus macht. Hofstetter holt paradoxerweise auf dem Wege der Entrückung zurück, was in die Ferne abgeglitten war, und liefert analytisch klar einen wichtigen künstlerischen Beitrag zu dem längst überfällig gewordenen sozial-ästhetischen Diskurs um die Verödung, die die fortschreitende Verdrängung der Moderne nach sich zieht.
RICHARD SCHMALÖERDer Architekt und Stadtplaner betreibt seit 1992 ein gemeinsames Büro mit Susanne Schamp. Seit Beginn der 1990er Jahre beschäftigt sich Richard Schmalöer mit der Typologie der privaten Schwimmhalle, weniger jedoch in architektonischer Hinsicht, das heißt nicht als Erbauer neuer Schwimmhallen, vielmehr als Dokumentarist. Gemeinsam mit den Fotografen Ralf Dördelmann, Angela Elbing, Chiara Nardini, Detlef Podehl, Christoph Scholz und Stefan Schwabe hat er eine Sammlung von heute größtenteils nicht mehr existierenden Schwimmbädern der 1950er – 1970er Jahre zusammengetragen, die er durch die Publikation „Schwimmen in Geld - private Hallenbäder des deutschen Wirtschaftswunders“ 2017 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. „Schwimmen in Geld“ kann aber neben der Schönheit der Bilder auch als Dokument der Sinnlosigkeit allen Strebens nach Wohlstand gelesen werden. So schön wie die Bilder und ihre Motive sind, so deutlich offenbaren sie auch den Beginn eines Niedergangs. Verfall und Vergänglichkeit wohnen fast jedem der Objekte zum Zeitpunkt der Fotografie inne.
CHRISTINE WEBERthematisiert in ihren Arbeiten die Darstellung von Modernität im Film. Durch Abstraktion entwickelt sie aus einzelnen Filmeinstellungen Gemälde, die den Betrachter an die Wiedergabe von Zuständen filmischer Selbstreflexivität erinnern. Genau wie das Referenzmaterial, also die Filmaufnahme, beziehen sich ihre Bilder auf die Darstellung einer Illusion. Aber die Künstlerin ermöglicht dem Betrachter durch das gemalte „Filmbild“ die Realität einer solch medial neuen Darstellung in ein Verhältnis zur Erinnerung an einen Film zu setzen. Auf diese Weise wird sichtbar, dass Erinnerung immer auch Erfindung, ein schöpferischer Prozess ist. Durch ihre Konsequenz beim Reduzieren von Bildinformation entsteht in ihren Gemälden eine überraschend neue Perspektive auf szenografische Arrangements. Auf diesem Weg thematisiert die Malerin, die Instabilität in der Unterscheidung zwischen „nur Vorgestelltem“ und „tatsächlich Vorhandenem.
INA WEBERbeschäftigt sich mit Architekturzeugnissen in unseren Städten, die einst für Aufbruch standen, nun aber „in die Jahre gekommen sind“. So erzählen Gebäude – viele von ihnen aus der Nachkriegszeit – wie Fußgängerzonenmobiliar, Wartehäuschen und Schwimmbäder vieles über die Zeit ihrer Entstehung und über Wertvorstellungen, Träume und Gedanken ihrer Nutzer und Erbauer. Ina Weber verarbeitet diese Architekturen in ihren Arbeiten. Die einst stolzen Zeugnisse einer zukunftsgläubigen, hoffnungsvollen Gesellschaft werden als Betonskulpturen wiedergeboren. Die Auswahl der Themen/Subjekte dieser Skulpturen und deren Größenverschiebung bedingen eine Fokussierung des Blicks und eine Irritation, welche unserer Umgebung die Selbstverständlichkeit nimmt.
Öffnungszeiten: Mi bis Fr 15 – 19 Uhr und Sa 11 – 14 Uhr
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