Günter Brus zählt nicht nur zu den bedeutendsten und radikalsten Künstlern Österreichs, sondern gilt zu Recht als „Jahrhundertkünstler von Weltgeltung“ (Peter Weibel). Als Pionier der Body Art hat er nicht nur Generationen von KünstlerInnen den Weg bereitet, sondern mit seinen Zeichnungen auch die Traditionslinie des Wiener Frühexpressionismus konsequent fortgesetzt und mit seinen „Bild-Dichtung“ genannten Text-Bild-Collagen ein neues, intermediales Genre begründet. Er ist in der Zeit und Unzeit kompromisslos seinen Weg gegangen und hat Unverständnis, Ablehnung, Anschuldigung, Verurteilung und sogar zehn Jahre Exil bereitwillig für seine Kunst auf sich genommen. Heute gilt er als Klassiker, der seinen fixen Platz im Kanon der Kunstgeschichte innehat und aus den Schulbüchern nicht mehr wegzudenken ist.Doch die Bewährung und Kanonisierung birgt auch ihre Schattenseiten. Als Klassiker gelten gemeinhin Autoren, die jeder kennt, aber niemand liest, deren Namen jeder schnell im Mund führt, ohne jedoch genau zu wissen, wovon er redet. Die Einsamkeit des Spätklassikers heißt dementsprechend die erste Ausstellung von Günter Brus bei Wienerroither & Kohlbacher, die einen Einblick in das facettenreiche Oeuvre des Künstlers gibt. Liest man den Namen Brus, ist er zumeist mit dem Epitheton „Wiener Aktionist“ versehen, das ihm wie ein Stempel anhafte und in die Irre führen mag. Der einst meistgeschmähte Österreicher hat nur sieben Jahre lang Aktionen durchgeführt, aber rund 60 Jahre lang gezeichnet. Seit Brus um 1960 das erste Mal in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, hat er ein kaum zu überblickendes Gesamtwerk geschaffen, das nicht nur über 40 Aktionen umfasst, sondern auch über 30.000 Zeichnungen, Kostüm- und Bühnenbildgestaltungen für Theater- und Opernproduktionen, sowie ein umfangreiches literarisches Werk.
Die retrospektive Ausstellung im Palais Schönborn-Batthyany gibt anhand von rund 120 Einzelarbeiten einen konzisen Einblick in das Schaffen von Günter Brus. Beginnend mit den ersten informellen Arbeiten auf Mallorca, über die Fotografien wesentlicher Aktionen hin zu den postromantischen Zeichnungen der 1970er-Jahre und den großformatigen Einzelblättern und umfassenden Bild-Dichtungen der 1980er- und 1990er-Jahre zeigt sie einen Klassiker mit unbekannten und überraschenden Seiten.