»Künstliche Intelligenz« ist zum Keyword sowohl für technischen Fortschritt als auch diffuse Drohszenarien geworden. Die künstlerische Auseinandersetzung mit diesem Thema begann bereits in den 1980er Jahren, und die jüngsten technologischen Fortschritte auf diesem Feld haben der Kunst nicht nur neue reizvolle Themenfelder eröffnet, sondern auch neue künstlerische Mittel zur Verfügung gestellt. Der Kunstverein Hannover geht mit der Ausstellung »Artistic Intelligence« nun der Frage nach, inwieweit sich Künstler*innen neuester technischer Möglichkeiten künstlicher Intelligenz in ihrer künstlerischen Praxis bedienen. Artifizielle neuronale Netze – GAN genannt (Generative Adversial Neural Networks) – und algorithmische Prozesse, die ein »maschinelles Lernen« ermöglichen, sind in Industrie und Wirtschaft längst etabliert und dominieren den menschlichen Alltag. Den damit einhergehenden Vorzügen und Bequemlichkeiten stehen allerdings auch Formen der Zensur und Überwachung gegenüber.Die Ausstellung versammelt elf Positionen, die schon früh die Methoden der Verselbständigung künstlich-maschineller Systeme befragen – so in den Werken von Harun Farocki oder Anne-Mie Van Kerckhoven. Vermeintlich autonomes Verhalten von Maschinen wie auch die Omnipräsenz künstlicher Intelligenz werden in den Werken von Sougwen Chung, Arcangelo Sassolino, Miao Ying und Julia Żabowska sichtbar. Zugriffe auf große Datenpools als Voraussetzung für computergenerierte Lernmethoden führen zu erstaunlichen Bildergebnissen in den Beiträgen von Sofia Crespo, Mario Klingemann und Anna Ridler. Matthew Plummer-Fernandez behandelt weitreichende Folgen von Zensur und Überwachung in seiner Arbeit, und Helen Knowles beleuchtet künftige Fragestellungen nach der juristischen Einordnung und moralischen Handhabe künstlicher Intelligenz. Diese Ansätze fächern den tiefgreifenden technischen Wandel unserer Gesellschaft auf und beleuchten ihn aus der Perspektive der Kunst.
Mit »Artistic Intelligence« schließt der Kunstverein Hannover an vorausgegangene Ausstellungen an, die den Einfluss des digitalen Wandels auf Künstler*innen und deren Werke beleuchteten: Die Ausstellung »Digital Conditions« im Jahr 2015 versammelte zentrale künstlerische Positionen, die sich mit der Digitalisierung auseinandersetzten, wie unter anderem Pierre Huyghe, Lorna Mills, Jon Rafman, Avery Singer und Hito Steyerl. Die Ausstellung »Digital Archives« im Jahr 2016 rückte Künstler*innen in den Fokus, die neue Formen der Überwachung und Kontrolle in ihren Werken behandelten. Dazu gehörten u. a. Christoph Faulhuber, Mediengruppe Bitnik, Ryoji Ikeda oder Trevor Pagen.
Im umfangreichen Rahmenprogramm der Ausstellung »Artistic Intelligence« wird Mario Klingemann – einer der führenden KI-Künstler und mit drei Arbeiten in der Ausstellung vertreten – die künstlerische Praxis mit Algorithmen und künstlichen neuronalen Netzwerken erörtern. Wie wird unsere Zukunft mit den neuen technischen Möglichkeiten, die uns künstliche Intelligenz verspricht, aussehen? Jürgen Rink, Physiker und Chefredakteur des c’t Magazins, wird dieser Frage bei seinem Vortrag im Kunstverein nachgehen. Weiterhin blickt einer der führenden Pioniere zum Thema KI, Oswald Wiener, auf die jüngsten technologischen Entwicklungen.
Parallel zu den Veranstaltungen des Kunstvereins findet am 15. und 16.05. die Tagung LINK der Stiftung Niedersachsen statt. Über zwei Tage werden renommierte Wissenschaftler*innen, Kunstschaffende und Autor*innen dem Thema »Künstliche Intelligenz in Kunst und Kultur« nachgehen. Während der Ausstellungsdauer wird zudem eine Filmreihe zum Thema KI im Kommunalen Kino des Künstlerhauses präsentiert, die den zeitlichen Bogen von »Metropolis« (1927) bis »Hi, A.I.« (2019) spannt.
Eine Besonderheit im breiten Vermittlungsprogramm des Kunstvereins Hannover stellt das innovative Kunstvermittlungsprojekt »Eliza, Siri, Alexa und Co.« dar, bei dem Schüler*innen entdecken, wie Chatbots funktionieren, und spielerisch einfache Programmierbefehle erlernen. Das eigens für das Projekt »Eliza, Siri, Alexa und Co.« entwickelte modular aufgebaute Kursprogramm wird in Zusammenarbeit mit Pit Noack (Medienkünstler, Wissenschaftsjournalist, Dozent) durchgeführt.