Durch ihren bildhauerischen Schreibakt werden diese Spuren Realität, wird aus den Prozessen der…
Durch ihren bildhauerischen Schreibakt werden diese Spuren Realität, wird aus den Prozessen der…
Durch ihren bildhauerischen Schreibakt werden diese Spuren Realität, wird aus den Prozessen der Vergangenheit, historischen wenn man so will, individuellen wie kollektiven, Handlungsraum der Gegenwart.
Da sind zum einen ihre Arbeiten im öffentlichen Raum. Hart erkämpfter Raum, der gar so öffentlich letztlich noch immer oder schon wieder nicht ist, setzt man öffentlich mit frei zugänglich gleich. Monumentale Kunstwerke von Frauen bestimmen ihn jedenfalls nur selten, politische, gesellschaftskritische Auseinandersetzungen, Infragestellungen noch weniger. Vielmehr ist er von einem dichten Netz an Interessen über- und durchzogen, die ihn konstituieren. Angriffe auf diese Strukturen werden nicht ohne Grund als Bedrohung bestehender Hierarchien gewertet – entsprechend wird darauf reagiert.
Eine von Ulrike Trugers wohl bekanntesten Arbeiten ist die Wächterin, die seit 2000 vor dem Wiener Burgtheater ihren Platz einnimmt. …..
Die Wächterin (….) steht ein für die Menschenwürde, die Ziel der Attentate wurde. Stellte sie in diesem Kontext noch den ruhigen, aber manifesten Anspruch der Schutzfunktion über selbige, wird sie bei ihrem nächsten Einsatz zur provokanten Kämpferin gegen jene Kräfte, die Jahre zuvor an den ideologischen Fundamenten der Briefbombenanschläge mitgebaut hatten. Im Jahr 2000 installiert Truger ihre Skulptur als Protest gegen die erste schwarz-blaue Koalition vor dem Burgtheater – ohne Genehmigung. Sie zieht gleich, nimmt sich den Raum, den andere ungeachtet der Gegendemonstrationen für sich beanspruchen, selbst wenn der Weg dorthin durch den Untergrund der Demokratie führt. Das Burgtheater, hehre Institution staatlicher Repräsentationskunst einerseits und künstlerischer Reibebaum andererseits, ist in der österreichischen Kulturgeschichte ein denkwürdiger Aufstellungsort, den nicht nur seine Lage am Ring und die Nähe zum Parlament prädestiniert. Nicht als passive, möglicherweise inspirative Muse steht die Wächterin da, sondern als demokratische Instanz kultureller Wachsamkeit, wo immer Justitias Blindheit zur institutionellen Ignoranz mutiert. Nicht zuletzt deshalb wurde die Skulptur immer wieder zum Treff- und Ausgangspunkt für Aktionen und Demonstrationen im öffentlichen Raum und von Truger selbst auch nach ihrer „Legalisierung“ 2004 weiterhin für Installationen genützt, zuletzt 2007 mit der „Baustellenaktion“ anlässlich der Regierungsbildung; auch ein Verkehrsschild kam zum Einsatz: „Rechtsabbiegen verboten“. ………..
Frauenfigurationen sind für Ulrike Trugers Werk bestimmend, wenn auch nicht ausschließlich. Vielmehr äußert sich in ihnen auch die Vielseitigkeit der Künstlerin, ihre eigene reflexive Beweglichkeit. Diese gesteht sie auch ihren Frauenskulpturen zu, schreibt sie ihnen ein. Veränderung steht im Mittelpunkt. Der Körper als elementarste Instanz dieser Veränderung von Zuständen, Situationen. Das Behaupten einer Haltung, das Ingangbringen oder -setzen von Bewegung. Truger lässt Frauen aktiv ihre Position einnehmen. ……….. Die Affektierte begegnet solchen Festlegungen mit stolzer Ironie und behauptet ihre Exzentrik, ja macht sie zur ihrer identifikatrorischen Komponente. Ich will, ich bin! „Eigentlich sind die Frauen immer bewegter!“, so Truger im Interview, als wäre ihr das eben erst aufgefallen. Impulsivität kennzeichnen Künstlerin und Werk gleichermaßen. Energie und Sinnlichkeit. Ihren Arbeiten ist eine Erotik der Berührung eigen, man möchte den Stein mit allen Sinnen erfahren und er/fassen, die Spröde auf der Haut fühlen, die Hand über scharfe Kanten gleiten lassen oder pulvrige Flächen und Kerben nachzeichnen. ……… Aber es stimmt schon, egal ob Adonis oder Zeus, Trugers Männerskulpturen sind viel statischer konzeptioniert, ein Block, dessen quaderförmiger Umriss abgesehen einzig vom Penis, mal angedeutet, mal ausgeprägt, mal kastriert, kaum gebrochen wird.
So sehr sich die Künstlerin der ewigen Fixierung der Frau auf die Opferrolle bewusst ist, so sehr bringt sie ihre weiblichen Figuren in möglichst große Distanz dazu. In der Gaja wird dies am explizitesten. Scharfkantiger Behau, massive Formationen, gleichermaßen ein Aufdrängen des Intimsten – eine Provokation, das Gegen den Spiegel Werfen männlicher Dominanz- und Machtansprüche. ……. Die Widerlegung der Opferrolle ist auch in Trugers Paardarstellungen ein sich immer weiterentwickelndes Thema. Vereinigung und Abgrenzung, sie spart diese Polarität nicht aus, gibt gerade im Sinne der Frau keine Möglichkeit zur gängigen Reduktion: ich liebe / die düne / zwischen unseren ufern […] macht die berührung / die vereinigung / nur möglich / sie als trennende. Mit der bereits 1988 entstandenen Skulptur Paar/Pietá bricht sie, vor allem durch die Benennung, ein religiöses Tabu, aus der leidenden Maria wird eine sich von ihrem Partner emanzipierende Frau, die Gleichsetzung in der Titelgebung verweist wiederum auf die Veränderbarkeit von Motiven und damit von Denk- und Handlungsmustern.
Ein Schaffensprozess, der auch die eigene Person, Persönlichkeit nicht ausklammert, stattdessen Raum schafft für Bewegung, Experiment, Entwicklung. Doch Stein bringt auch „Themen auf den Punkt“, so Truger. Konkretisiert Entwicklungsstadien, setzt Markierungen im öffentlichen Raum, tatsächliche Wahr-Zeichen von Urbanität. Kunst schafft Wirklichkeit.
Der Steinerne Fluss bricht sich seinen Weg durch die Hartberger Innenstadt, Truger setzt die Felsen, die Landschaften prägen, mitten in die Shopping-Meile, setzt dem Konsum-Spektakel und dessen Momentbefriedigung Ver-läufe entgegen. „Spektakel will es zu nichts anderem bringen als zu sich selbst“, so Guy Debord. Eigenprofitable Passivität. Truger will das genaue Gegenteil von sich selbst reproduzierender Endgültigkeit. Berg, Fels, gerade in Österreich mit Glorifizierung und folkloristischem Mythos codiert, eine differenzierte Auseinandersetzung, zumal im ländlichen StadtRaum, findet jedoch kaum statt. Auf eine solche besteht Truger. Ein unterirdischer Fluss speist die Skulptur, Verschüttetes, Verdrängtes wird sichtbar – gemacht, da bricht was auf, bricht weg, die Angst, selbst wegzubrechen, wenn bekannte Muster nicht mehr in Stein gemeißelt sind, sondern dieser gegen Ahistorizität Bewegung im Denken und der Wahrnehmung setzt. ….
Zwang – Flucht – Freiheit lautet der Untertitel ihrer Elisabeth-Skulptur, die anlässlich des Gedenkjahres 1998 entstand. Truger hatte die Arbeiten, die ebenfalls in diesem Jahr herauskamen, gelesen, und gedacht: „Eigentlich gibt es kein Bild dazu“, keine Visualisierung – abgesehen von den filmisch klischeebeladenen oder jenem „auf dem Thron, auf dem sie nie gesessen ist – da wollte ich einen Gegensatz.“ Truger stellte sich damit einer der am stärksten konnotierten Persönlichkeiten der österreichischen Geschichte. Sie scheut die Diskrepanz zwischen privater und öffentlicher Person nicht, sondern verarbeitet dieses Spannungsfeld der Gegensätze, ohne es aufzulösen. ….
Für einen Aufbruch steht auch der Ikarus, ein Balanceakt der Schwerkraft, spielend mit dem Hoch-Mut des Unbedingten, die Utopie behauptend, ihr mit einem Scheitern näher zu kommen als mit jedem Zögern.
Eine andere Art der Bewegung verkörpert die Tänzerin Isadora. Diese fertigte Truger für ein älteres, in der eignen Beweglichkeit bereits eingeschränktes Ehepaar – die Figur ist mittels ihrer Anbringung auf einem inneren Keil leicht drehbar, also von allen Seiten betrachtbar, ohne den ansonsten für die Erfassung von Trugers Werken notwendigen Rundgang vollziehen zu müssen. Der Stein bringt im Gegenteil Bewegung mit, setzt der erzwungenen Statik etwas entgegen.
Trugers Tabubruch, gerade als Frau, liegt in ihrer Hartnäckigkeit, es geht nicht um momenthaftes Aufmerksamkeitshaschen – ein solches hat Spektaktel-Charakter und ist damit systemintegrierbar. Die Bildhauerin zielt mittels Ästhetik ihrer Werke auf permanente Präsenz, will sich den Strukturen nicht nur einschreiben, sondern diese auch selbst bestimmen – und das bedeutet nicht weniger, als einen Machtanspruch zu stellen: jenen der ästhetischen Definitionsmacht.
Mit dem Großen Schritt übersetzte Truger 2007 erstmals reine Bewegung ins Visuelle, Haptische, ohne den Umweg über eine Körperdarstellung, aus dem religiös besetzten niederdrückenden Kreuz, an das Anklänge ersehen werden können, wird ein kraftvolles Auftreten, eine Bewegung, die Dogmen nicht gelten lässt. Eine Phase zunehmender Abstraktion zeichnet sich ab, Schnitte, Mechanik, Reduktion.
Ulrike Truger, geboren 1948 in Hartberg/Stmk., hat zwei Töchter, lebt in Wien und im Burgenland, bis vor einem Jahr Vizepräsidentin des Wiener Künstlerhauses, zahlreiche Auszeichnungen, Stipendien, Auslandsaufenthalte. Sie ist die erste Frau, die eines der Bundes-Ateliers für Bildhauerei im Prater bekam und ist bis heute die einzige geblieben.Der Text erschien im Juli 2009 in der Grazer Wandzeitung „AUSREISSER“ siehe
Vernissage: Mittwoch, 10.04.2019, 19 Uhr
Eröffnung: Susanne Wessely, Bezirksvorsteher-Stellvertreterin, Landstraße
Die Ausstellung ist bis Donnerstag, den 2. Mai 2019 zu sehen.Öffnungszeiten: Dienstag – Freitag von 11 – 19 Uhr, Sa nach Terminvereinbarung
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