Die Tradition der Meisterschülerausbildung war in der Nachfolge der Preußischen Akademie der Künste in der DDR weitergeführt worden. Betreut durch einzelne Mitglieder bot sie jungen Künstlern die Chance, für zwei Jahre relativ unabhängig in den Ateliers am Pariser Platz 4 arbeiten zu können. In der kulturpolitisch brisanten Zeit der 1950er und 1960er Jahre kam es allerdings zu erbitterten Debatten; ein wahrer Stellvertreterkrieg gegen einzelne Akademie-Mitglieder entbrannte. Zu ihnen gehörte der Bildhauer Fritz Cremer, der kurz vor dem Mauerbau 1961 eine Ausstellung junger Kunst initiierte, die zum kulturpolitischen Eklat führte. Cremer trat als Sekretär zurück und Akademie-Präsident Otto Nagel musste es ihm gleich tun – aus „gesundheitlichen Gründen“, wie es offiziell hieß. In den Wandbildern wird deutlich, dass es der Generation der um 1930 geborenen Meisterschüler um einen anderen als den von Staatsseite geforderten Realismus ging. Sie hatten wesentlichen Anteil an der Ausbildung der sogenannten Berliner Schule, ihre „Schwarzen Bilder“ wurden von der offiziellen Kunstkritik als unzeitgemäß, dekadent und formalistisch diffamiert. Der von außen empfundene Druck ließ die Künstler nur noch enger zusammenrücken und in ihren Bildern aufeinander reagieren. Im Freiraum der Faschingsgestaltung in der Akademie entlud sich die Experimentierlust. Hier tobte sich aus, was in Ausstellungen nicht gezeigt werden durfte. Zur Eröffnung des Bilderkellers werden Interviewfilme mit Jürgen Böttcher | Strawalde, Matthias Flügge, Dieter Goltzsche, Harald Metzkes und Werner Stötzer gezeigt, Einblicke in die Arbeit der Restauratoren gegeben sowie Tondokumente der damaligen Auseinandersetzung zu Gehör gebracht. Der Zugang zum Bilderkeller ist nur im Rahmen einer Führung möglich.
Der Bilderkeller am Pariser Platz 41907 hat die zunächst Königliche, dann Preußische Akademie der Künste das Gebäude am Pariser Platz 4 am Brandenburger Tor bezogen. Das ursprüngliche Palais wurde von Ernst von Ihne für die Akademie umgebaut und um Ausstellungsräume erweitert, die Ludwig Justi im Ausbau mit beeinflusste. Sie galten als die „schönsten Ausstellungsräume“ Berlins. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Künstlervereinigung durch die Generalbauinspektion Albert Speers aus dem Gebäude verdrängt und zog erst 1950 mit der Deutschen Akademie der Künste dort wieder ein. Diese nutzte die Liegenschaft als Atelier- und Werkstattgebäude u.a. für ihre Mitglieder und Meisterschüler.
Die Tradition der Meisterschülerausbildung wurde von der, später im Osten gelegenen, Akademie in Nachfolge der Preußischen Akademie weitergeführt. Betreut zunächst in Klassen oder durch einzelne Mitglieder, bot sie jungen Künstlerinnen und Künstlern die Chance, für zwei Jahre relativ unabhängig in den Ateliers am Pariser Platz 4 arbeiten zu können. In der kulturpolitisch brisanten Zeit der 1950er und 1960er Jahre kam es zu reichem Konfliktstoff und großen Aufregungen um die Meisterschülergeneration von Manfred Böttcher, Wieland Förster, Dieter Goltzsche, Harald Metzkes, Ernst Schroeder, Werner Stötzer und Horst Zicklein.Von Böttcher, Schroeder, Metzkes und Zickelbein haben sich Wandbilder in den Kellerräumen des Gebäudes erhalten. Sie entstanden 1957 und 1958 als Wandschmuck für zwei Faschingsfeste. Bei diesen Wandbildern handelt es sich um mehr als einen Faschingsspaß, wie der Vergleich mit anderen Werken der Künstler verdeutlicht. Sie sind vor allem im Zusammenhang mit den kulturpolitischen Auseinandersetzungen jener Zeit zu sehen, die in der von Fritz Cremer 1961 während des Mauerbaus initiierten Ausstellung „Junge Künstler – Malerei“ kulminierten. Auf dieser Schau waren auch erstmals Arbeiten von Ralf Winkler (alias A. R. Penck) zu sehen. In der Folge dieser Kampagne trat Fritz Cremer als Leiter der Abteilung und Otto Nagel als Präsident der Akademie zurück. Tonbandprotokolle von einem ‚Gesprächsgefecht‘ über diese Akademie-Ausstellung wurden wieder aufgefunden, bei der u. a. der Filmemacher und Maler Böttcher Ɩ Strawalde sich gegen die Angriffe wandte und damalige Mitglieder wie Helene Weigel oder Arnold Zweig engagiert das Wort für die jungen Künstler ergriffen. In den Wandbildern wird deutlich, dass es der Generation der um 1930 geborenen Meisterschüler um einen anderen als den staatlich geforderten Realismus ging. Sie hatten wesentlichen Anteil an der Ausbildung der sogenannten Berliner Schule. Termini wie das „Abseitige“, „Unzeitgemäße“ ihrer „Konservenkunst“ sind exemplarisch für die kunstpolitischen Debatten und Auffassungen der Zeit, mit denen sie sich konfrontiert sahen. Zeitweilig wurde die Meisterschülerausbildung in diesem Zusammenhang sogar ganz ausgesetzt. Der von außen empfundene Druck ließ die jungen Künstler zusammenrücken und in ihren Bildern aufeinander reagieren. Bei Schroeder, Metzkes, Böttcher und Zickelbein kam es zu einer Folge von Bildern in dunklen Farben. Diese „schwarzen Bilder“ korrespondieren mit Tendenzen der europäischen Malerei von Bernard Buffet bis zur Abstraktion von Hans Hartung. Die Meisterschüler sahen sich als Teil einer europäischen Moderne.
In der Schlussphase dieser Zeit entlud sich im Freiraum der Faschingsgestaltung in der Akademie die Experimentierlust, die auch von einem großen Topf schwarzer Farbe gespeist wurde. Freie und unbefangene Szenerien bevölkerten die Wände des Heizungskellers am Pariser Platz. Hier tobte sich aus, was in den Ausstellungen nicht gezeigt werden konnte. Motivisch gehen die Wandbilder auf einen Vorschlag von Werner Stötzer zurück – auf die Dienstmädchenballade vom Wilddieb. So zeigt das inzwischen restaurierte Wandbild von Ernst Schroeder neben einem zierlichen Tischchen mit Petroleumlampe und Porzellanhündchen einen monströsen Hund (laut Metzkes der Hund des Galeristen Rudolf Springer) unter einem Hirschgeweih. An der Wand hängen die Jagdtasche mit einer erlegten Ente und die Flinte. An anderer Stelle hat sich von Schroeder das Interieur eines Wilderers erhalten – das in seinen fast abstrakt zu nennenden stillebenhaften Zügen dem Purismus der Nachkriegszeit entsprach.
Das ebenfalls restaurierte Wandbild von Harald Metzkes, das sich inzwischen im Durchgang zur Behrenstraße befindet, zeigt ein Festmahl. Um eine einfache, auf Böcken ruhende Tischplatte mit einem Wildschweinkopf in der Mitte der Tafel sitzen Herren mit großen schwarzen Hüten und Anzügen. Eine, ihr Gesicht auf die Hand stützende, unbekleidete Frauengestalt, die an Arbeiten Picassos erinnert, sprengt mit ihrer Körpergröße die Proportionen der Komposition und gibt dem Bild gemeinsam mit den über dieser Szene schwebenden Figuren einen surrealen Zug. Dieses Werk kann als kompositorisches Vorbild für Metzkes Gemälde Tischgesellschaft von 1957 (Öl auf Leinwand, 90 x 120) angesehen werden. Auch diese Arbeit wird von einer Tischaufsicht mit Lebensmitteln, Tellern, Besteck und Gläsern beherrscht. Die jungen Männer mit den dunklen Anzügen und die Frauenfigur – hier theatralisch wie in einem Stummfilm seitwärts abgewinkelt – tauchen auch wieder auf. Die strenge Stilisierung der Figuren in Auseinandersetzung mit dem italienischen ‚Realismo’ und die Bevorzugung dunkler Farbtöne sind charakteristisch für die sogenannte „Schwarze Periode“ der Berliner Schule. Akrobaten und Seiltänzer, Gestalten der Commedia dell’arte, Masken- und Karnevalszüge ziehen sich wie ein roter Faden durch die Bildproduktion von Harald Metzkes.
Besonders frappierend sind auch die weißen Strichmännchen auf schwarzem Grund des inzwischen verstorbenen Malers Manfred Böttcher. Diese leider noch immer nicht restaurierten Bilder – „Pencks vor Penck“ – sind in ihrer Abkehr von den damals geforderten Kriterien der Kulturpolitik am radikalsten.
Die zeittypische, existentialistische Stimmung empfand die damalige Kunstkritik als depressiv, fortschrittsfeindlich und dekadent. Fritz Cremer verteidigte diese als im Grunde loyale, aber auch „mit sehr viel echter Skepsis“ ausgestattete, neue Generation. Er war überzeugt, dass die DDR gerade die „sogenannten schwierigen jungen Künstler“ braucht und „nicht die Musterknaben, die Langweiligen, Wohlgefälligen“. Als Reaktion auf die Ausstellung von 1961 war zu lesen: „die vertoteten Landschaften von Schroeder, das verkümmerte Buffetfräulein von Böttcher und die chinesischen Trauma von Metzkes verdeutlichen die Anklänge [...] an den Existenzialismus, zu dessen Pessimismus in Fragen des Daseins man sich scheinbar hingezogen fühlt. Die gleichsam aus der Konserve geschaffenen Werke, das Depressive ihrer menschlichen Entleerung, verdeutlicht das Abseitige ihrer künstlerischen Position, in die sie während ihres Aufenthaltes an der Akademie geraten sind.“
So sind die Wandbilder in der Akademie der Künste am Pariser Platz Zeugnisse einer jungen Generation in der Ostberliner Malerei, die sich einem verordneten Optimismus entzogen. Als Beispiele einer künstlerisch anspruchsvollen Haltung gegen die Doktrin des damals geforderten Sozialistischen Realismus sind sie gerade im Hinblick auf den Funktionswechsel des Gebäudes und der Erhaltung der historischen Spuren überaus wertvoll. War das in ihnen zelebrierte Bohèmeleben auch sentimental, so ist darin gleichzeitig ein Aufbegehren gegen den egalisierten Menschen zu sehen.
Meisterschüler der Akademie der Künste
Manfred Böttcher (1933–2001)Böttcher studierte 1950–1955 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden bei Wilhelm Lachnit und Heinz Lohmar und war 1955–1958 Meisterschüler der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin bei Heinrich Ehmsen. Ab 1961 arbeitete er freischaffend in Berlin. 1963–1968 leitete er den Mal- und Zeichenzirkel im Kreiskulturhaus Weißensee und erhielt 1984 den Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR.
Harald Metzkes (geb. 1929)Metzkes studierte 1949–1953 Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden bei Rudolf Bergander und Wilhelm Lachnit und arbeitete anschließend freischaffend in Bautzen. 1955–1958 war er Meisterschüler der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin bei Otto Nagel, 1957 unternahm er eine dreimonatige Studienreise mit Gertrud und John Heartfield sowie Werner Stötzer nach China. 1976 erhielt er den Käthe- Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR, 1986 wurde er Mitglied der Akademie der Künste der DDR, 1989–1991 war er Sekretär der Sektion Bildende Kunst, 1991 erfolgte sein Austritt aus der Akademie der Künste zu Berlin. Er lebt und arbeitet in Altlandsberg-Wegendorf.
Ernst Schroeder (1928–1989)Schroeder wuchs in Stettin auf, machte eine Schlosserlehre in Swinemünde und lebte ab 1945 in Bansin/Usedom. 1949–1954 studierte er an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg, wo er Meisterschüler bei Max Pechstein wurde. Nach dem Studium verdiente er Geld als Krankenpfleger. 1956–1958 war er Meisterschüler der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin bei Otto Nagel und Heinrich Ehmsen. 1959 zog er nach Hamburg, wo er bis zu seinem Tod zurückgezogen bei seiner Mutter lebte.
Werner Stötzer (1931–2010)Stötzer machte bis 1948 eine Ausbildung zum Keramikmodelleur, danach studierte er bis 1951 an der Hochschule für Baukunst und Bildende Künste in Weimar bei Heinrich Domke, Hans van Breek und Siegfried Tschiersky. 1951–1953 setzte er sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Eugen Hofmann und Walter Arnold fort. 1954–1958 war er Meisterschüler der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin bei Gustav Seitz, 1962 erhielt er den Will-Lammert-Preis der Akademie der Künste der DDR. 1974 arbeitete er am Film Der nackte Mann auf dem Sportplatz von Konrad Wolf und Wolfgang Kohlhaase mit. 1975 erhielt er den Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR. 1975–1978 war er Gastdozent an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. 1978 wurde er Mitglied der Akademie der Künste der DDR, 1990– 1992 war er deren Vizepräsident.
Horst Zickelbein (geb. 1926)Nach einer Lehre als Dekorateur besuchte Zickelbein 1948–1950 die Fachschule für Grafik und Buchgewerbe in Berlin. 1950–1955 studierte er an der Hochschule für Bildende und Angewandte Kunst Berlin-Weißensee bei Horst Strempel und Bert Heller. 1955–1958 war er Meisterschüler der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin bei Heinrich Ehmsen. 1977 erhielt er den Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR. 1958–1995 war er freiberuflich in Berlin tätig und lebt seitdem auf Bornholm/Dänemark.
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