„Die ungewöhnlichen Fotografien von Katja Flint sind eine Spielart des Porträts. Normalerweise setzen Künstler im Porträt auf Realismus oder eine Transformation im menschlichen Ausdruck, etwa auf Rollenspiele, und nicht auf Gefühle. In ihrem Hauptjob als Schauspielerin schlüpft Katja Flint immer wieder in neue Rollen und verkörpert andere Charaktere. Wenn sie allerdings selbst mit ihrer Kamera im heimischen Fotostudio den Part der Regisseurin, Beleuchterin und Ausstatterin übernimmt, ist sie an den unterschiedlichen Charaktereigenschaften eines Menschen, vor allem an echten menschlichen Emotionen interessiert. Kurze Regieanweisungen stehen am Anfang jeder Fotositzung, etwa: „Stell dir vor, du bist ein Tier, das bedroht wird.“ Alternativ gibt Flint dem ausgewählten Gegenüber einen Begriff von einer ziemlich langen, von ihr selbst zusammengestellten Liste zur Inspiration an die Hand, wie zum Beispiel Verwirrung, Verlorenheit, Staunen, Leichtigkeit, Transzendenz, Erwachen, Stolz, Lust, Neid oder Scham.
Katja Flint lässt jegliches Licht im fotografischen Umraum verschwinden und exponiert einzig die Person vor ihrer Kamera mit wenig zusätzlichem Licht und vor schwarzem Fond. Der zugleich darstellende und dargestellte Mensch ist hier ebenfalls auf minimale Gesten reduziert und kaum mehr ein ganzheitliches Individuum – und doch ist paradoxerweise gerade das Individuelle im Ausdruck Bildinhalt und Ansatzpunkt für unsere Rezeption. Die mehrere Sekunden lange Belichtungszeit im abgedunkelten Raum ermöglicht Bewegungen vor der Kamera, die auf der Fotografie zur Spur werden. So wird das Gesicht verunklärt und entindividualisiert, gleichzeitig wird das Körperliche oder die Aktion in den Mittelpunkt gestellt. Denn erst aus der Bewegung folgt die fotografische Unschärfe, die wiederum Dynamik und eine psychologische Innenschau impliziert. Der sonstige Körper, häufig androgyn bekleidet mit Jackett, Hemd und Krawatte, bleibt meist statisch und klar gezeichnet, als sei er das tragende, äußere Gerüst für das emotionale Innere.
Flints selbst formuliertes künstlerische Ziel ist es, in der Fotografie einen malerischen Effekt zu erzielen und gleichzeitig ins Innere des Menschen zu schauen. Das geschieht diskret und vorsichtig, mit großem Einfühlungsvermögen, nie aufdringlich oder gar desavouierend. So entsteht ein Theater der Emotionen, ein Ein-Personen-Stück, realisiert auf einer Miniaturbühne. Der emotionale Ausdruck in den Fotografien Katja Flints ist hierbei existenzieller und ursprünglicher als von anderen Porträts gewohnt; sie konfrontiert uns mit echtem Staunen und Verwirrtheit, mit Stolz oder Zerbrechlichkeit und brilliert in ihrer einzigartigen Visualisierung von Furcht und Verführung, von Euphorie oder Verzweiflung. Flints Fotografien wirken authentisch, mitunter so intensiv, dass sie verstören, und durch den schwarzen Bildraum und das exponierte Gesicht gleichzeitig auch theatralisch und so könnten wir, gleichsam zur eigenen Beruhigung, darin nur die Darstellung einer Emotion sehen. Doch tatsächlich steigt Katja Flint eine Stufe tiefer ins Unterbewußtsein, als die meisten Kollegen es tun, denn ihre fotografischen Bilder werden zu einem „echten“ Drama, das der Betrachter so schnell nicht vergisst. Der Fotografin gelingt es, Gefühle von innen nach außen zu kehren und sie so erkennbar und erlebbar zu machen. Damit wirft sie mit ihren Porträts existenzielle und essenzielle Fragen auf: Was bedeutet es Mensch zu sein? Wie ist es um seine und unser aller Befindlichkeit bestellt? Welche Gefühle schlummern in uns, von denen noch nicht einmal wir selbst wissen?
Die höchst sensible und empathische Kunst Katja Flints öffnet uns die Augen, unter anderem für uns selbst. Die mal subtilen, mal brachialen Aufnahmen menschlicher Emotionen, diese statischen und stillen Bilder, sind großes Kino. Sie entführt uns mit ihren düsteren und intensiven Menschenschilderungen in eine tragtraumhafte, ja kinematographische Parallelwelt. Möglich ist das wohl nur im Medium Fotografie und so schließt sich hier der Kreis medial in geradezu idealer Weise.“ Dr. Matthias Harder, Kurator der Helmut Newton Stiftung
Anlässlich der beiden Ausstellungen erscheint im Januar 2019 eine Monografie im DISTANZ Verlag.
Eröffnung: Laufzeit: Ort:Eröffnung: Laufzeit: Ort:Samstag, 12. Januar 2019, 18.00 Uhr13. Januar – 24. Februar 2019Kunsthalle Rostock, Hamburger Str. 40, 18069 RostockFreitag, 29. März 2019, 19.00 Uhr30. März – 4. Mai 2019Galerie Semjon Contemporary Berlin, Schröderstr. 1, 10115 Berlin
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