Die Auseinandersetzung mit dem OrtEin weiterer Aspekt von Nicolais methodischer Herangehensweise an seine Arbeit ist die Auseinandersetzung mit dem Ort, an dem seine Werke gezeigt werden.Um diesen zu reflektieren und zu hinterfragen, führt er seine Ausstellung mit interdisziplinären Projekten außerhalb der Institution weiter und vervielfältigt so die Bezüge der Arbeiten untereinander und zu ihrer jeweiligen Umgebung. Für Wien plant der Künstler Kollaborationen mit dem Georg Fritsch Antiquariat, dem ZOOM Kindermuseum, dem Sigmund Freud Museum und dem museum in progress. Er lässt außerdem Helene Weigels Mercedes Benz Ponton tageweise in der Nähe vom Burgtheater und Volkstheater parken. Die Ehefrau Bertolt Brechts kaufte das Auto 1967 in ihrer Funktion als Direktorin des Berliner Ensembles.Auch das Deserteursdenkmal am Ballhausplatz ist Schauplatz für seine breit angelegten Ausstellungsaktivitäten. Es wurde 2014 nach einem Entwurf des Künstlers als Mahnmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz errichtet. Als ein elementarer Bestandteil des Projekts wird das Monument neu aktiviert, indem Gesangs-Performer/innen a capella Stücke aufführen. Es handelt sich dabeium eine Fortsetzung des Projekts Escalier Du Chant, das Nicolai 2011 für die Pinakothek der Moderne in München umgesetzt hat. Das Konzept sieht vor, dass der Künstler Komponist/innen einlädt, jeweils kurze Werke ausgehend von aktuellen Ereignissen zu schreiben, die dann von den Neuen Vocalsolisten (Stuttgart) musikalisch interpretiert werden.Nicolais methodische Herangehensweise führt auch dazu, andere Blickweisen auf und Bezüge zu seinem Werk herzustellen und künstlerische Arbeiten vordergründig manchmal gar nicht als solche zu erkennen zu geben. Häufig stellt der Künstler bekannte Motive in neue Kontexte oder versucht sich am Wiederholen von Bildern aus der Erinnerung. Er greift Fragen der Natur- und Geisteswissenschaft auf und macht sie in einem ästhetisch konstruierten und damit neuen Kontext erfahrbar.Der Ausstellungstitel There Is No Place Before Arrival geht zurück auf ein Werk des Künstlers mit dem Titel Don’t spend time searching the colorful layered flood of leaking information, or: There is no place before arrival. Dieses besteht aus einer großen Steinplatte aus präkambrischen Quarzsandstein, der aus einer Zeit noch vor dem ersten Aufkommen von Lebewesen auf der Erde stammt. There Is No Place Before Arrival verweist darauf, dass es keinen Ort vor der Ankunft gibt: Gedanken, Worte, Bilder und Gesten, die übermittelt werden, finden, wenn sie ankommen, ihren Ort nicht als solchen schon vor, sondern schaffen ihn allererst. Gleichzeitig handelt es sich um eine poetische Paraphrase über die Dialektik des Wunsches, „die erhoffte Dauer und den permanenten Aufschub in der Bewegung“, so der Künstler über den Titel seiner Ausstellung in Wien.Olaf Nicolai zeigt mit There Is No Place Before Arrival nicht nur seine Methode:Er verbindet vielmehr performative Elemente, sich im Laufe der Ausstellung transformierende Werke, Verfremdungen bekannter Alltagsgegenstände und popkulturelle Motive in einem dichten Feld aus Verweisen auf ikonische Momente in Politik und Geistesgeschichte. Zugleich inszeniert die Ausstellung ein Ensemblesich wandelnder Situationen, in dem sich die Besucher/innen bewegen. Dieses ist gleichermaßen für eine zerstreute, eher nomadische Rezeption wie für eine sehr persönliche Aneignung der Arbeiten offen.St. Gallen, Bielefeld und WienThere Is No Place before Arrival in der Kunsthalle Wien läuft parallel mit zwei anderen Ausstellungen von Olaf Nicolai in der Kunsthalle Bielefeld (ab 15. Juni2018) und im Kunstmuseum St. Gallen (ab 7. Juli 2018). Gemeinsam geben die drei Ausstellungen eine Übersicht über das facettenreiche Werk des Künstlers und reflektieren dabei seine interdisziplinären Konzepte der letzten zwanzig Jahre. In Bielefeld rückt die Architektur der Kunsthalle von Philipp Johnson in den Mittelpunkt der Schau, wo es um Nähe und Distanz, Einschluss und Ausschluss geht. Für die LOK in St. Gallen hat der Künstler ein begehbares Environment konzipiert, das ebenso eine Wüste wie eine Mondlandschaft sein könnte. Zentral sind dabei sowohl die Verschiebungen im Verhältnis von Körper, Raum und Bewegung als auch die auf diese Weise evozierten Imaginationen. Als gemeinsame Produktion der drei Institutionen wird 2019 eine umfassende Publikation erscheinen.Kurator: Luca Lo PintoOlaf Nicolai (*1962) lebt und arbeitet in Berlin. Nach dem Studium der Germanistik an den Universitäten Leipzig, Budapest und Wien arbeitet er seit 1990 als bildender Künstler. Neben der Teilnahme an zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen war er auf der documenta X (1997) und documenta 14 (2017) vertreten sowie auf der 49., 51. und 56. Venedig Biennale (2001, 2005 und 2015). Für seine von der documenta 14 in Auftrag gegebene Arbeit In The Woods There Is A Bird... erhielt Olaf Nicolai 2017 den Karl-Sczuka-Preis für Hörspiel als Radiokunst.
ÖffnungszeitenKunsthalle Wien MuseumsquartierTäglich 10 – 19 UhrDonnerstag 10 – 21 UhrKunsthalle Wien KarlsplatzTäglich 10 – 19 UhrDonnerstag 10 – 21 UhrEintrittspreiseKombiticketI’m Isa Genzken, The only female Fool, Neue Wege nichts zu tun & Der Brancusi-Effekt(erhältlich in der Kunsthalle Wien Museumsquartier)Regulär EUR 12Ermäßigt* EUR 9Studierende/Schüler/Lehrlinge EUR 2Kinder (unter 10 Jahren) freiGruppe (ab 10 Personen) EUR 7Familienticket EUR 20
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