Gleichsam über Nacht wurde Vivian Maier zum Star, in einem Atemzug genannt mit Größen wie Henri Cartier-Bresson, Robert Frank, Lee Friedlander oder Diane Arbus und gehandelt von den renommiertesten Galerien. Die hollywoodreife Erzählung wurde 2013 in einer Dokumentation verarbeitet, die weltweit in den Kinos lief und bei den Academy Awards 2014 für einen Oscar als Best Documentary Feature nominiert war. Vivian Maier selbst hat den späten Welterfolg nicht mehr erlebt. Sie starb 2009, zwei Jahre nachdem ihre Negative, Abzüge, 8 mm-Filme und Tonbänder versteigert worden waren, weil sie den Mietzins der Lagerräume schuldig geblieben war, in einem Altersheim an den Folgen eines Sturzes – nur wenige Tage, bevor der Sammler ihren letzten Wohnsitz ausfindig machen sollte. „Die vielfach kolportierte – und ja tatsächlich fantastische – Erzählung einer ‚Mary Poppins mit Kamera‘ darf nicht den Blick auf Maiers Werk verstellen. Ihr Platz in der Fotogeschichte gebührt ihr wegen der Qualität ihrer Fotografie“, so WestLicht Chef-Kuratorin Rebekka Reuter. Viele von Maiers seit den 1950er-Jahren insbesondere in den Straßen von New York und Chicago entstandenen Arbeiten wirken wie unmittelbare Klassiker. Mit ihrem Gespür für den Moment und ihren souveränen Kompositionen beansprucht Maier nachhaltig einen Sitz im traditionell männlich dominierten Olymp der Street Photography. Ihre zahlreichen Selbstporträts in Spiegeln und Schaufenstern im Stadtraum brechen dabei mit der oft entlang archaischer Jäger-Beute-Schemata und konventioneller Geschlechterrollen konstruierten Erzählung des Genres.
Im WestLicht sind rund 100 zwischen den frühen 1950er- und den späten 1970er-Jahren entstandene Arbeiten Maiers zu sehen. Dabei werden die klassischen, überwiegend mit der Rolleiflex aufgenommenen Schwarz-Weiß-Bilder durch Farbaufnahmen ergänzt, die sie mit der Leica fotografierte.
Vivian Maier, geboren 1926 in New York City als Tochter einer französischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Verbringt ihre Kindheit und Jugend, den lückenhaften Anhaltspunkten nach zu urteilen, zwischen Frankreich und New York. Möglicherweise früher Kontakt zur Fotografie durch die Porträtfotografin Jeanne Bertrand, die zeitweise mit Maier und ihrer Mutter in New York wohnt. Ende der 1940er-Jahre in Frankreich erste Aufnahmen mit der Kodak Brownie Box. 1951 Rückkehr in die USA und Anstellung als Kindermädchen bei einer Familie in Southampton, NY. Erste Rolleiflex 1952. Umzug nach Chicago 1956. Einrichtung einer Dunkelkammer im Badezimmer. Bis in die frühen 1970er-Jahre Arbeit als Nanny in einem Chicagoer Vorort bei der Familie Gensburg, ab 1967 zusätzlich bei den Raymonds. Weltreise 1959/60. Wechselnde Anstellungen als Kinderfrau und Haushaltshilfe in den 1970er-Jahren. Hinwendung zur Farbfotografie und Arbeit mit Leica IIIc. Filmmaterial bleibt zu großen Teilen unentwickelt. In den 1980er- und 1990er-Jahren zunehmend angespannte finanzielle Situation. Einlagerung ihres Archivs in angemieteten Lagerräumen. Alleinstehend und ohne familiäre Bindungen Unterstützung vor allem durch die Söhne der Gensburg- Familie. 2009 stirbt Vivian Maier an den Folgen eines Sturzes in einem Altersheim in Chicago.
Aufgrund ausbleibender Mietzahlung versteigert die Lagerhausfirma 2007 den Inhalt der Lagerräume von Vivian Maier, über 100.000 Negative, mehrere Tausend Abzüge, Tonbandaufnahmen und 8 mm- Filme. John Maloof, ein junger Immobilienmakler, der gerade an einem Buch über ein Wohnviertel an Chicagos Northwest Side arbeitet und auf der Suche nach historischem Bildmaterial ist, erwirbt unbesehen einen ersten Karton mit Negativen für 400 US-Dollar. Beginnt, sich mit dem Material zu beschäftigen. 2009 Veröffentlichung von Bildern auf seinem Blog, über einen Link zur Plattform flickr werden die Fotografien zu einem viralen Phänomen. Sukzessive weitere Ankäufe durch Maloof, der heute den weitaus größten Teil des Nachlasses verwaltet.
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